08.04.2016
Integration als eine Drohgebärde des Staates: Willkommenskultur geht anders
Der Bayerische Flüchtlingsrat lehnt den Entwurf des ‚Integrationsgesetzes‘ der bayerischen Staatsregierung strikt ab. Er bedient Ressentiments und lässt all das wieder aufleben, was sich in den letzten dreißig Jahren an negativen Bezügen zum Umgang mit Integration angesammelt hat. Der Entwurf verordnet Integration im Imperativ. Wer sich nicht (ausreichend) integriert, muss mit Strafen rechnen, was Integration heißt, bestimmt die Behörde.
„Das ist keine Grundlage für ein weltoffenes Bayern, sondern Produkt der rückwärtsgewandten Phantasien aus dem Innenministerium“, kritisiert Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Bislang sind die Angebote des Freistaats zur Integration von Flüchtlingen defizitär, zu spät, oder oft für viele Flüchtlinge nicht erreichbar. Erst muss der Staat wirklich mal ordentliche Angebote machen. Hier kommt die Sanktionsdrohung vor der Offerte.“
Fundament des Gesetzesentwurfs ist eine „Leitkultur aus nicht verhandelbaren Werten“. Mit diesem „nicht verhandelbar“ verkennt die bayerische Regierung, dass Werte Ergebnisse von Verhandlungsprozessen sind, an denen auch Zugewanderte ihren Anteil haben. Integration hängt von der Bereitschaft der Eingewanderten und der Einheimischen ab, möglichst gut miteinander auszukommen und einander zu respektieren. Der Gesetzesentwurf verpasst es, diese Bereitschaft zu fördern. Das Miteinander darf geregelt werden. Aber diese Regelung darf nicht einseitig zu Lasten der Eingewanderten stattfinden. Der Gesetzesentwurf baut über weite Strecken eine Drohkulisse gegenüber Zuwanderern und Flüchtlingen auf. Damit stößt er MigrantInnen und Flüchtlinge vor den Kopf, statt ihnen Angebote zu machen, er grenzt aus, statt zur Identifikation mit dieser Gesellschaft einzuladen.
Artikel 11. Wohnortzuweisung
Einen völligen Freibrief für die Staatsregierung stellt Artikel 11 dar. Hier wird verfügt, dass per Verordnung auch anerkannten Flüchtlingen der Wohnsitz vorgeschrieben werden kann. Über die Wohnsitznahmeverpflichtung für Flüchtlinge während des Asylverfahren hinaus wird damit einer integrationsfeindlichen Praxis die Tür geöffnet, die in der Praxis dazu führt, dass auch anerkannte Flüchtlinge beim Besuch von Schulen, von Deutschkursen oder der Suche nach Arbeit extrem diskriminiert werden können.
Änderung des Artikel 17a (5) 3b Bayerisches Gesetz über Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG)
Beispiellos ist die geplante Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes. Hier wird die Schulpflicht für Kinder aufgehoben, die in den Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen den Ausgang ihres Asylverfahrens abwarten. Bevor überhaupt über ihr Schicksal und ihre Bleibeperspektive entschieden ist, sollen sie vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. Wenn sich hierin das bayerische Verständnis von Menschenrechten und Gleichheitsgrundsatz manifestiert, dann ist das beschämend.
Beschämend ist das ganze Paket dieses Desintegrationsgesetzes, und zwar sowohl gegenüber der französischen Professorin als auch gegenüber dem syrischen Bauern. Beide verstehen von Willkommenskultur und Gastfreundschaft wohl mehr als das Bayerische Kabinett.
In diesem Entwurf zu einer Integration in die Leitkultur haben die engen bayerischen Kontakte zu Putin und Orban deutlich ihre Färbung hinterlassen. Für das im Entwurf dokumentierte repressive Verständnis von Integration gibt es nur eine Antwort: Nicht zukunftsfähig, also ab in die Tonne damit!