25.03.2020

Innenministerium muss nachbessern

Flüchtlingsrat begrüßt, dass Innenministerium einheitliches Behördenhandeln sicherstellen will / Flüchtlingsrat fordert: Abschiebungen stoppen und Rechtsmittelfristen aussetzen


Der Bayerische Flüchtlingsrat hat in mehreren Gesprächen das Innenministerium darauf hingewiesen, dass Flüchtlinge in Bayern nicht nur vor einer Infektion mit dem Corona-Virus, sondern auch vor dem Corona-Chaos der bayerischen Behörden geschützt werden müssen. Das Innenministerium hat nun auf die von uns und anderen geäußerte Kritik reagiert und versucht, dieses Chaos zu lichten und ein einheitliches Behördenhandeln sicherzustellen.

Vorgesehen sind u.a.:

  • Entzerrung der Belegung in den Unterkünften, sofern möglich,
  • Muttersprachliche Informationen zu Corona in allen ANKER-Zentren, Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften der Landkreise,
  • Verlängerung von Ausweisdokumenten durch die Ausländerbehörden ohne Vorsprache, Zustellung mit der Post.
  • Auch die Auszahlung der Sozialleistungen soll sichergestellt sein.

Einen generellen Abschiebestopp und das Aussetzen aller Fristen bei Behörden und Gerichten hält das Innenministerium jedoch nicht für nötig.

Wir begrüßen es, dass auch im bayerischen Innenministerium ein Problembewusstsein dafür entsteht, dass Flüchtlinge in ihrer prekären Lebenssituation in den bayerischen Flüchtlingslagern vor Corona und chaotischem Behördenhandeln geschützt werden müssen“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Aber die Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend. Unabdingbar notwendig sind eine weitere Entzerrung der Belegung in den Unterkünften und ein sofortiger Abschiebestopp, um eine Weiterverbreitung der Corona-Pandemie in die Herkunftsstaaten der Flüchtlinge zu verhindern. Zudem müssen umgehend die Fristen bei Behörden und Gerichten ausgesetzt werden. Der Rechtsstaat steht auf dem Spiel, wenn Flüchtlinge faktisch nicht mehr in der Lage sind, gegen ablehnende Asylbescheide zu klagen, denn Beratungsstellen, Anwaltskanzleien und Rechtsantragstellen haben größtenteils geschlossen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hält diese weiteren Schritte für dringend notwendig:

  • Die Unterbringung in großen Sammellagern birgt ein immenses Infektionsrisiko. Wer in Mehrbettzimmern lebt, aus einer Kantine versorgt wird und sich Toiletten, Duschen und Küchen mit bis zu 50 Menschen teilen muss, kann keinen Sicherheitsabstand einhalten und soziale Kontakte reduzieren. Die Belegung muss dringend weiter entzerrt werden. Dafür können derzeit leerstehende Hotels genutzt werden.
  • Abschiebungen müssen umgehend gestoppt und Abschiebehäftlinge aus der Haft entlassen werden. Zwar wurden die Dublin-Überstellungen innerhalb Europas gestoppt, nicht jedoch Abschiebungen direkt in die Herkunftsländer der Flüchtlinge.
  • Alle Fristen bei Behörden müssen ausgesetzt werden. Es darf nicht sein, dass Flüchtlinge zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht dazu gezwungen werden, zu Botschaften und Konsulaten quer durch die Republik zu reisen, während gleichzeitig in ganz Deutschland umfassende Ausgangsbegrenzungen gelten.
  • Die Rechtsmittelfristen für Klagen gegen ablehnende Asylanträge müssen ausgesetzt werden, denn die Berater*innen der Wohlfahrtsverbände sind kaum noch in den Lagern vor Ort, auch die Rechtsantragstellen der Verwaltungsgerichte haben ihre Außenstellen in den ANKER-Zentren geschlossen. Flüchtlinge sind deshalb mehrheitlich nicht in der Lage, rechtzeitig gegen einen Ablehnungsbescheid zu klagen.
  • Die Gesundheitsversorgung muss für alle Menschen sichergestellt sein. Ein Teil der Flüchtlinge in Bayern benötigt erst einen Krankenschein vom Sozialamt, um sich ärztlich behandeln lassen zu können. Diese Verpflichtung muss sofort aufgehoben werden, Krankenscheine können auch später nachgereicht werden.
  • Illegalisierte Migrant*innen müssen unbürokratisch medizinisch behandelt werden, um zu vermeiden, dass sie aus Angst vor Entdeckung zu Überträger*innen des Coronavirus werden. Auch ihre Behandlung darf nicht von der Vorlage eines Krankenscheins abhängig gemacht oder bei der Polizei angezeigt werden. Eine einfache Lösung wäre es, ihren Aufenthalt für die Zeit der Corona-Pandemie zu dulden.
  • Bei Kontrollen der Einhaltung der Allgemeinverfügung durch die Polizei dürfen Flüchtlinge nicht wegen fehlender Ausweispapiere angezeigt werden. Denn oftmals können sie aufgrund der geschlossenen Behörden (noch) keine Papiere vorweisen.
  • Der Internetzugang in allen Unterkünften muss sichergestellt werden. In vielen Unterkünften ist es den Bewohner*innen nach wie vor verboten, auch durch eigene Kostenübernahme, WLAN zu installieren. Vor allem für Schulkinder ist Internet derzeit enorm wichtig, um Schulaufgaben erhalten und bearbeiten zu können.

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