14.08.2017

Flüchtlingsunterkünfte als „Gefährliche Orte“

Rechtsgutachten weckt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Polizeiaufgabengesetzes

Mit der im bayerischen Integrationsgesetz verfügten Novelle des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) wird die Identitätsfeststellung und das Eindringen in die Wohnräume von Flüchtlingen – auch zur Nachtzeit – durch die Polizei erlaubt. Auf dieser Basis finden in Flüchtlingsunterkünften in Bayern Durchsuchungen statt, ohne dass überhaupt ein Strafverdacht besteht, wie der Würzburger Flüchtlingsrat in seinem offenen Brief vom 10. August kritisiert.

Ein vom Nürnberger Anwalt Yunus Ziyal erstelltes Gutachten stellt nun heraus, dass die Begründung des Gesetzes auf mehr als wackeligen Füßen steht: Beweise für Asylunterkünfte als gefährliche Orte bleibt die Staatsregierung schuldig, weder die Bezüge zu Prostitution noch zu verdachtsunabhängigen Kontrollen bei der Schleierfahndung sind plausibel. Das Wohnen und die privaten Räume unterliegen einem besonderen Schutz. Dies ist in Unterkünften für Flüchtlinge ungerechtfertigter Weise außer Kraft gesetzt.

 

Repression oder Prävention?

Dabei bleibt die bayerische Staatsregierung Beweise für die Notwendigkeit oder den Sinn solcher Razzien schuldig. Es gibt keine Hinweise, die die bisherigen Razzien in Unterkünften begründen könnten, dass diese Unterkünfte als „gefährliche Orte“ gelten können, an denen Straftaten begangen oder vorbereitet werden. Außer einer gewissen Zahl von „Fremdschläfern“ blieben die Razzien bislang weitgehend ohne Ergebnis. Stattdessen sind die Einschüchterung, und auch die mögliche Retraumatisierung der Bewohner*innen in Kauf genommene Effekte dieser Maßnahmen. Damit ist der angerichtete Schaden, die massive Verunsicherung und Verängstigung der Bewohner*innen, deutlich größer als der Nutzen. Wenn die Regierung nicht nachweist, dass die Razzien tatsächlich der Prävention dienen, dann sind diese Maßnahmen reine Repression.

 

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die Einstufung von Unterkünften als „gefährliche Orte“ und schließt sich dem offenen Brief des Würzburger Flüchtlingsrates an. „Bewohner*innen von Flüchtlingsunterkünften sind gefährdet, nicht gefährlich. Die Massenunterkünfte perpetuieren Retraumatisierungen, und halten die Bewohner*innen in einem krankmachenden Status der Unsicherheit. Dazu tragen Polizeirazzien erheblich bei. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die Schließung von Massenunterkünften und Transitlagern für Flüchtlinge, weil sie die Bewohner*innen vermeidbaren Gefährdungen aussetzen“, so Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Die Staatsregierung sollte sich intensiver um die Aufklärung von Angriffen auf Unterkünfte kümmern, statt Flüchtlinge weiter zu kriminalisieren.“ 

 

Bei Rückfragen und bei Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:

Jana Weidhaase | 0152 14 96 27 74 |weidhaase@fluechtlingsrat-bayern.de

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