14.11.2014

Flüchtlingsrat schürt keine Ressentiments

Stellungnahme zur Kritik der Bayerischen Sozialministerin


Bayerns Sozialministerin Emilia Müller hat dem Bayerischen Flüchtlingsrat vorgeworfen, die Unterbringung von Flüchtlingen in Bayern falsch darzustellen, wie der BR berichtet. In den Gemeinschaftsunterkünften laufe alles „sehr geordnet“ ab, weshalb es falsch sei, von Lagern zu sprechen. Der Flüchtlingsrat schüre mit seiner Kritik Ressentiments gegen Flüchtlinge.

Der Flüchtlingsrat nimmt dazu wie folgt Stellung:

  • Die Hektik mit der die Staatsregierung bei der Schaffung von Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen vorgegangen ist, die vielen Provisorien und die harsche Kritik von allen Seiten, allen voran des Bayerischen Roten Kreuzes und des Münchener Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) beweisen eindrücklich, dass die Staatsregierung mit ihrer Unterbringungspolitik gescheitert ist. Die Situation hat sich mittlerweile etwas entspannt, dennoch schlafen hunderte Menschen ohne Privatsphäre in Möbelhäusern und -lagern, in Kasernen und Turnhallen und werden von den Landkreisen und kreisfreien Städten versorgt, obwohl dies Aufgabe der Staatsregierung wäre. Diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden zuletzt selbst von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) bei seinem Besuch in der Münchener Bayernkaserne als „Aufnahmelager“ bezeichnet.

  • Im Weiteren sind rund 13.500 Menschen in 190 „Gemeinschaftsunterkünften“ untergebracht. Sie leben in diesen Sammellagern über Jahre hinweg in Mehrbettzimmern mit bis zu 6 Personen und teilen sich in der Regel mit vielen anderen Bewohnerinnen und Bewohnern Küchen, Bäder und Toiletten. Flüchtlinge dürfen oft über Jahre hinweg nicht aus diesen Unterkünften ausziehen. Das sieht das bayerische Aufnahmegesetz vor, mit dem die Staatsregierung im Jahr 2002 die bundesgesetzlichen Vorgaben massiv verschärft hat. Dadurch ist die bayerische Lagerpflicht die rigideste Regelung im bundesweiten Vergleich. Diese Sammellager sind daher seit Jahren voll belegt, die Bezirksregierungen suchen händeringend nach weiteren Gebäuden, finden aber nicht genügend.
    Wenn man sich die alten Kasernen, Holzbaracken, Containerlager und andere „Gemeinschaftsunterkünfte“ ansieht, mit Flüchtlingen und Aktiven vor Ort spricht, wird offensichtlich, dass die Unterbringung alles andere als „sehr ordentlich“ aussieht.

  • Weil die Bezirksregierungen mit der Unterbringung von Flüchtlingen überfordert sind, sind zudem rund 17.500 Flüchtlinge in dezentralen Unterkünften untergebracht, die die Landkreise und kreisfreien Städte betreiben. Ihnen werden teils von heute auf morgen Flüchtlinge zugewiesen, sie ächzen zu Recht angesichts der chaotischen und unplanbaren Unterbringungspolitik.

Als Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt und versucht, ihnen Gehör zu verschaffen, ist es unsere Aufgabe, Missstände und die unmenschliche Situation in den bayerischen Sammellagern zu kritisieren und die Staatsregierung aufzufordern, endlich ihre gescheiterte Politik zu ändern. Dazu gehören dringend der schnelle Aufbau weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern, um die bestehenden in München und Zirndorf zu entlasten, die Abschaffung der Lagerpflicht für Flüchtlinge und die wirksame Kontrolle der vielen neu entstandenen dezentralen Unterkünfte“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.
Wir schüren damit keine Ressentiments gegen Flüchtlinge, sondern tragen zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung bei und unterstützen es, dass Flüchtlinge trotz schwierigster Lebensbedingungen ehren- und hauptamtliche Unterstützung erhalten. Wir wissen, dass wir mit unserer Kritik den Finger in eine offene Wunde der Staatsregierung legen, die durch lange Untätigkeit das akute Unterbringungschaos verursacht hat.

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