17.07.2012
Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse!
Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz am 18. Juli fordern PRO ASYL, Landesflüchtlingsräte und Campact: Die verfassungswidrige Vorenthaltung des Existenzminimums muss endlich beendet werden!
PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact erwarten vom morgigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die gegenüber der Sozialhilfe und dem Arbeitslosengeld II um 40 Prozent1 gekürzten Sozialleistungen für Flüchtlinge für verfassungswidrig erklärt werden. In der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2012 hatten die Richter und Richterinnen schwerwiegende Bedenken gegenüber den zu niedrigen Sätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erkennen lassen.
„Wir hoffen auf ein Urteil, mit dem ein für alle Mal klargestellt wird, dass die Menschenwürde kein Deutschen-Grundrecht ist, sondern für alle gilt“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Flüchtlingsorganisationen hatten in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die Leistungen evident zu niedrig sind. „Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge, der Verweis auf unzureichende Sachleistungen und das Vorenthalten des menschenwürdigen Existenzminimums ist weder mit der Menschenwürde noch mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar “, sagte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat.
„Ursula von der Leyen hat als zuständige Ministerin bisher ignoriert, dass das Asylbewerberleistungsgesetz gegen die Menschenwürde der Flüchtlinge verstößt. Es ist dringend notwendig, dass sich das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ändert“, sagte Günter Metzges, Geschäftsführer von Campact.
Spätestens seit dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 ist der Bundesregierung der Handlungsbedarf bekannt. Ministerin von der Leyen hatte dies in einer parlamentarischen Antwort selbst zugestanden. Gehandelt wurde trotzdem nicht. Während der mündlichen Verhandlung beim BVerfG konnte Staatssekretärin Niederfranke vom BMAS nicht einmal ansatzweise erläutern, wie die Berechnungsgrundlage der Leistungen für Asylsuchende künftig aussehen soll.
Die mittlerweile um 40 % unter dem Arbeitslosengeld II liegenden Regelsätze nach dem 1993 eingeführten AsylbLG wurden seither nicht einmal an die Preissteigerung von inzwischen 34 Prozent2 angepasst. Vielmehr wurde durch eine Ausweitung des unter das AsylbLG fallenden Personenkreises und eine Verlängerung der Dauer der Leistungskürzung auf mittlerweile 48 Monate von Jahr zu Jahr die soziale Lage der Flüchtlinge weiter verschärft. Für sie gelten zudem zudem Ausbildungs- und Arbeitsverbote, die Pflicht in Sammellagern zu leben und die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf den Landkreis (Residenzpflicht). In manchen Bundesländern wie z.B. Bayern und Baden-Württemberg werden die Leistungen nur als Sachleistungen (Lebensmittel-, Kleidungs- und Hygienepakete) ausgegeben, oder in Form von Gutscheinen wie z.B. in Niedersachsen. Die Praxis zeigt, dass die Sachleistungen nicht bedarfsdeckend, entmündigend und von katastrophaler Qualität sind. Das AsylbLG legt zudem eine Ausgrenzung von einer regulären Gesundheitsversorgung fest und beschränkt Flüchtlinge auf eine medizinische Notversorgung. Auch dies wurde von den Karlsruher Richtern in der mündlichen Verhandlung problematisiert.
PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact fordern von der Bundesregierung, dass sie ihr zynisches Desinteresse an dem von ihr produzierten sozialen Elend nach der Urteilsverkündigung endlich aufgibt. Nach fast 20 Jahren, in denen das AsylbLG zur Anwendung kam, wird es Zeit, dass es endlich abgeschafft wird.