28.02.2012

Flüchtlinge mit Bombendrohung in Deggendorf alleingelassen

Flüchtlinge mangelhaft informiert – keine psychologische Betreuung / Flüchtlingslager sind angreifbare Ziele für Neonazis und müssen abgeschafft werden


Am Donnerstag, den 23.02.2012 ging kurz vor Mitternacht eine Bombendrohung bei der Notrufnummer für Feuerwehr und Rettungsdienst ein: Im Flüchtlingslager in Deggendorf sei eine Bombe versteckt. 100 Flüchtlinge wurden evakuiert und das Lager durchsucht. Frauen und Kinder wurden vorübergehend in einer nahe gelegenen Diskothek untergebracht. Die im Flüchtlingslager wohnenden Männer mussten trotz winterlicher Temperaturen die Evakuierung auf der Straße abwarten, viele waren nur notdürftig bekleidet. Nach zweieinhalb Stunden gab die Polizei Entwarnung, die BewohnerInnen konnten in ihre Zimmer zurückkehren. Den stark aufgewühlten und verängstigten Flüchtlingen stand keine professionelle Betreuung während und nach der Evakuierung zur Seite. Betroffene berichteten, dass sie die Nacht in Todesangst verbracht hätten.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert, dass die Flüchtlinge nur unzureichend über die Bombendrohung informiert wurden. Zudem gab es keinerlei psychologische Betreuung. „Die Polizei versuchte schnellstmöglich, das Flüchtlingslager zu räumen. Es standen jedoch weder während noch nach der nächtlichen Räumung AnsprechpartnerInnen für die Flüchtlinge zur Verfügung, die ihnen hätten erklären können, was der Grund für dafür ist. Die orientierungslosen Flüchtlinge standen zum Großteil durchgefroren auf der Straße, ohne zu wissen, wie ihnen geschieht. Und während bei Bombendrohungen in Schulen umgehend ein psychologisch geschultes Kriseninterventionsteam zum Einsatz kommt, wurden die zum Teil schwer traumatisierten Flüchtlinge sich selbst überlassen“, kritisiert Tobias Klaus, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich zudem besorgt über die Umtriebe des neonazistischen Freien Netz Süd, das in Niederbayern zunehmend gegen Flüchtlinge und neu eingerichtete Flüchtlingslager hetzt. Am Tag vor der Bombendrohung hielt zudem die NPD ihre Aschermittwochs-Veranstaltung in Deggendorf ab. Ein Zusammenhang damit erscheint nicht abwegig.

Wir sind in großer Sorge um die Sicherheit der Flüchtlinge in Deggendorf. Die Regierung von Niederbayern muss umgehend die psychologische Betreuung der BewohnerInnen des Flüchtlingslagers gewährleisten und ihre Sorgen ernst nehmen“, fordert Tobias Klaus. Zudem stellt dieser Vorfall die Lagerunterbringung von Flüchtlingen grundsätzlich in Frage. In anderen Bundesländern wurden Flüchtlingslager als von Neonazis eindeutig zu identifizierende und angreifbare Ziele abgeschafft. Das berichtete unter anderem Frank Stein, Sozialdezernent der Stadt Leverkusen, bei der ExpertInnenanhörung des Bayerischen Landtags am 23.04.2009 in München. „Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen, endlich die Lagerpflicht abzuschaffen und Flüchtlinge in Wohnungen ziehen zu lassen!

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