20.07.2010

Flüchtlinge in Landshut: „Das Lager zieht um, wir bleiben hier!“

Regierung von Niederbayern will erneut Flüchtlinge in einer Eilaktion verlegen / Alle Flüchtlinge aus Landshut sollen in den bayerischen Wald / BewohnerInnen haben heute Essenspakete boykottiert und wollen sich am Donnerstag weigern, in den Bus zu steigen

 

Heute Vormittag versuchte die Regierung von Niederbayern, den 80 Flüchtlingen, die derzeit in Landshut untergebracht sind, ihre Umverteilungsbescheide zuzustellen. Am Donnerstag sollen sie nach Schöllnstein verlegt werden, einem kleinen Dorf mit 100 EinwohnerInnen, das 30 km entfernt von Deggendorf tief im Bayerischen Wald liegt.


Das Holzbaracken-Lager müsse umgehend geräumt werden, da eine Bodenuntersuchung des staatlichen Bauamts ein historisches Kellergewölbe zu Tage gefördert habe, das Lager deshalb einsturzgefährdet sei. Dabei ist das Kellergewölbe seit Jahren bekannt, Anwohner hatten bereits beim Bau des Lagers die Wahl des Standorts kritisiert. Doch statt nach einer Ersatzunterkunft in Landshut zu suchen, hat die Regierung von Niederbayern entschieden, die Flüchtlinge nach Schöllnstein zu verlegen. Auch hier wird, wie bei der Blitzaktion in Bogen und Deggendorf von vergangener Woche, keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen genommen: Arbeitsplätze zählen ebenso wenig wie die sozialen Beziehungen der Flüchtlinge, die sehr gute Beratung durch das Haus International oder die Trauma-Behandlung bei der Außenstelle von Refugio München in Landshut.
Dabei gibt es in Landshut mehrere alternative Unterbringungsmöglichkeiten. Es liegen bereits Angebote der Kirchen vor, einen Teil der Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen, auch die Stadt Landshut arbeitet an Alternativen. Zudem gibt es eine leer stehende, ehemalige Kaserne, die innerhalb kürzester Zeit in Betrieb genommen werden könnte. Die Kaserne befindet sich in Bundesbesitz, die niederbayerische Bundestagsabgeordnete Kornelia Möller arbeitet daran, die Bundesregierung zu einer schnellstmöglichen Zusage für die Nutzung des Geländes zu bewegen.
Die Regierung von Niederbayern wollte heute Vormittag zeitgleich mit der Essenspaketvergabe die Umverteilungsbescheide zustellen. Um ihre Annahme zu verweigern, waren die Flüchtlinge gezwungen, die Essenspakete zu boykottieren. Sie haben auch geschlossen erklärt, übermorgen nicht in den Bus zu steigen, der sie nach Schöllnstein bringen wird. Denn wer einmal dorthin verlegt wurde, hat kein Recht mehr auf eine Rückkehr nach Landshut.


„Flüchtlinge sind kein Frachtgut und können nicht einfach von einem Lager ins andere verschoben werden“, kritisiert Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Die Regierung von Niederbayern zeichnet sich in den letzten Tagen im Umgang mit Flüchtlingen durch eine Inhumanität aus, die ihresgleichen sucht. Wir fordern deshalb von Regierungspräsident Heinz Grunwald, sofort dafür zu sorgen, dass alle Flüchtlinge in Landshut bleiben können. Er muss diese menschenverachtende Behördenpraxis sofort beenden!“

Da die Regierung von Niederbayern mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs droht für den Fall, dass Flüchtlinge sich weigern, in den Bus zu steigen, laden wir Sie ein, die Flüchtlinge in Landshut zu besuchen und der Abfahrt des leeren Busses beizuwohnen. Laut Infoblatt der Regierung werden am 22.7.10 ab 7.30 Uhr Lastwagen für den Transport bereitgestellt, der Omnibus soll um 13 Uhr in Landshut starten.

Zudem findet am morgigen Mittwoch, den 21.07.2010, eine Solidaritätsdemonstration für die Flüchtlinge statt, Treffpunkt 15.00 Uhr vor der Regierung von Niederbayern.

Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:
Alexander Thal | Bayerischer Flüchtlingsrat | Tel: 089-762234

Pressemitteilung, 20. Juli 2010, Bayerischer Flüchtlingsrat und Karawane München

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