18.09.2012

Flüchtlinge: Bayerische Sozialämter unterlaufen Verfassungsgerichtsurteil

Sozialämter in Nordbayern zahlen Flüchtlingen nur 107 Euro statt verfassungsgerichtlich angewiesene 134 Euro aus / Flüchtlingsrat: Haderthauer muss rechtswidrige Praxis beenden

 

Am 18.07.2012 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig. Bis zu einer Neuregelung durch den Bundesgesetzgeber setzte es eine Übergangsregelung in Kraft, nach der Flüchtlinge in Bayern, die in Sammellagern untergebracht sind, erheblich mehr Geld bekommen müssen. Für Alleinstehende oder Alleinerziehende, die in Regelbedarfsstufe 1 einzugruppieren sind, wurde eine Erhöhung des Taschengeldes von 40,90 Euro auf 134 Euro festgesetzt.

Das Bayerische Sozialministerium versandte an die bayerischen Sozialämter am 26.07.2012 einen vorläufigen Anwendungshinweis, wie das BVerfG-Urteil umgesetzt werden soll. Demnach muss dem Urteil folgend Alleinstehenden und Alleinerziehenden auch in Bayern 134 Euro pro Monat ausbezahlt werden.

Am 21.08.2012 einigten sich zudem VertreterInnen aller 16 Bundesländer auf bundesweit einheitliche Sätze für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Auch sie stellen klar, dass Alleinstehende oder Alleinerziehende in Regelbedarfsstufe 1 einzugruppieren sind und 134 Euro pro Monat bekommen müssen.

Die Sozialämter in Oberfranken sowie in mehreren Landkreisen in Unterfranken, aber auch die Sozialämter in Mittelfranken (sofern die Flüchtlinge dort nicht in Sammellagern, sondern in Pensionen o.ä. untergebracht sind) zahlen jedoch nur 107 Euro aus. Die Begründung: Die betroffenen Flüchtlinge führten „keinen eigenen Hausstand“, deshalb fielen sie nicht in Regelbedarfsstufe 1, sondern in Regelbedarfsstufe 3. Die rigide bayerische Lagerunterbringung, die es Flüchtlingen verbietet, eine Privatwohnung zu beziehen, wird damit als Begründung herangezogen, ihnen die Sozialleistungen zu kürzen.

Wir sind entsetzt, mit welcher Unverfrorenheit sich viele Sozialämter in Bayern rechtswidrig über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Sozialministerin Christine Haderthauer hat nach dem Verfassungsgerichtsurteil erklärt, sie habe schon immer nachvollzogen, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu niedrig seien. Wenn ihr die Belange der Flüchtlinge wirklich etwas wert sind, muss sie jetzt umgehend den Sozialämtern in Bayern das kleine Einmaleins des Sozialrechts beibringen und sie anweisen, die Regelbedarfsstufen rechtmäßig anzuwenden.

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