11.05.2006

Dublin II Verordnung abschaffen

Die Praxis des EU-Rechts zeugt von Abschiebebrutalität und Verschiebung von Flüchtlingen in aussichtslose Lage

Im vergangenen Sommer wurde Familie Avdija, Angehörige der Ashkali-Minderheit aus dem Kosovo, nach Slowenien abgeschoben.

Die Umstände der Abschiebung, die im Rahmen der europäischen Dublin II Verordnung stattfand, werfen ein bezeichnendes Licht auf den behördlichen Umgang mit Flüchtlingen. Die Familie wurde auseinandergerissen, die Mutter wurde nach zwei Suizidversuchen aus der Psychiatrie heraus abgeschoben, die Kinder mussten den gewaltsamen Transport ihrer kranken Mutter ins Flugzeug ohnmächtig mit ansehen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat entschied nach letztlich erfolglosen Interventionen zur Verhinderung der Abschiebung, die Familie in Slowenien zu besuchen, sie nach Möglichkeit zu unterstützen und die Abschiebung aus Sicht der Familie zu dokumentieren.

Die Dokumentation der Abschiebung ist fertig gestellt und wurde am heutigen Donnerstag, den 11. Mai 2006, vorgestellt. Die Dokumentation wurde an den Bayerischen Innenminister Dr. Günther Beckstein geschickt mit der Aufforderung dafür Sorge zu tragen, dass solche Vorkommnisse in Bayern künftig nicht mehr stattfinden.

Dublin II gescheitert

Gerade im Kontext der aktuell stattfindenden Evaluierung des Dublin II Verfahrens durch die Europäische Kommission ist die Dokumentation brisant. Die Dokumentation unterstreicht die Defizite der europäischen Verordnung und ihrer Umsetzung in der Bundesrepublik.

Flüchtlinge werden, bevor noch ein Staat sich mit ihrem Asylbegehren befasst hat, quer durch Europa verschoben. Die Staaten an der Außengrenze Europas werden überproportional belastet, insbesondere die Asylsysteme der neuen Mitgliedstaaten der EU sind nicht hinreichend ausgereift, um faire Asylverfahren zu gewährleisten. Häufig werden Flüchtlinge nur zu sogenannten Folgeverfahren zugelassen, die ihre Fluchtgründe nicht berücksichtigen und in einen Ablehnungsautomatismus münden. Abschiebungen in die Herkunftsländer ohne hinreichende Prüfung der Schutzbedürftigkeit sind an der Tagesordnung.

Angesichts dieser Praxis sieht der Bayerische Flüchtlingsrat das Ziel der Dublin II Verordnung, eine „Lastenteilung“ zwischen EU Staaten einzuführen, als gescheitert an. Die Verordnung genügt in der Praxis weder asyl- noch menschenrechtlichen Anforderungen und verfehlt den Zweck, Flüchtlingen in einem EU-Staat ein faires Verfahren zu ermöglichen.

Neben den ausführlichen Gesprächen mit den Eltern und Kindern der Familie enthält die Dokumentation Bilder, Texte und Materialien zur Vorgeschichte der Abschiebung und zur aktuellen Situation der Familie in Slowenien. Am Schluss stehen Forderungen und Empfehlungen hinsichtlich des Verhaltens der beteiligten Behörden und Institutionen.

Wir würden uns freuen, wenn Sie die Dokumentation vorstellen würden. Weitere Exemplare sind über den Bayerischen Flüchtlingsrat zu beziehen.

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