09.01.2012

Drohende Abschiebung von syrischen Deserteuren nach Ungarn

Seit dem 2. Dezember 2011 sitzen vier syrische Flüchtlinge in Abschiebehaft in München. Sie sollen nach Ungarn abgeschoben werden, wo ihnen die Abschiebung nach Syrien droht.

 

Kovan B. und Aram C.* wollten nicht auf unschuldige DemonstrantInnen schießen. Sie hatten Angst, selbst erschossen zu werden, sollten sie sich weigern. Also entschlossen sie sich dazu, sich ihrer Einberufung durch das syrische Militär durch Flucht zu entziehen. Gemeinsam mit Dilan Z. und Arin A. (Namen geändert), zwei Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, die Syrien ebenfalls verlassen mussten, machten sie sich auf den Weg nach Deutschland. Hier haben alle vier nahe Verwandte. Doch weil ihr Fluchtweg sie über Ungarn führte, droht ihnen nun die Abschiebung nach Ungarn. Ungarn schreckt jedoch auch in der derzeitigen Lage nicht davor zurück, Menschen nach Syrien abzuschieben, wo ihnen Haft, Folter oder der Tod drohen. Erst kürzlich hat das Ministerium für Flüchtlingsangelegenheiten in Ungarn in einem Fall eines syrischen Flüchtlings festgestellt, „dass die Syrische Arabische Republik als ein sicheres Herkunftsland betrachtet werden kann, wo der Abzuschiebende weder aus Gründen der Herkunft, Religion, Nationalität, gesellschaftlicher Zugehörigkeit oder wegen seiner politischen Meinung der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt ist; man kann weiterhin davon ausgehen, dass der abzuschiebende Ausländer keiner Todesstrafe, Folter, unmenschlicher, erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wäre“.
Auch das Ungarische Helsinki Committee (HHC) schätzt die Lage für Flüchtlinge aus Syrien so ein, dass sie in der Regel nach wie vor nach Syrien zurückgeschickt werden. Dennoch weigert sich die Bundesrepublik Deutschland bisher, den vier Asylsuchenden aus Syrien ein Asylverfahren in Deutschland zu gewähren und versteckt sich hinter der Dublin-II-Verordnung, nach der Ungarn zuständig sei. Die vier Asylsuchenden sitzen seit dem 2. Dezember in München im Gefängnis und bangen um ihre Zukunft. Eine Petition beim Deutschen Bundestag wurde nun eingereicht, wie über diese entschieden wird, bleibt noch abzuwarten.

In Ungarn ist die Situation für Flüchtlinge – wie Berichte des UNHCR und der Menschenrechtsorganisation HHC belegen – katastrophal. Nach Ungarn abgeschobene Flüchtlinge werden in der Regel sofort in Haft genommen. Ihre Möglichkeiten im Asylverfahren werden stark eingeschränkt. Weiterhin berichtet der UNHCR von gewalttätigen Übergriffen in den Haftanstalten durch das Wachpersonal.

Auf Grund der aktuellen politischen Situation in Syrien hat das deutsche Bundesinnenministerium im April diesen Jahres veranlasst, vorerst keine Abschiebungen nach Syrien mehr vorzunehmen – allerdings ohne das skandalöse Deutsch-Syrische-Rückübernahme-Abkommen grundsätzlich aufzukündigen. „Wir fordern, dass die Bundesrepublik Deutschland im Fall der vier syrischen Flüchtlinge von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht und sie umgehend aus der Haft entlassen werden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn die Bundesrepublik auf der einen Seite die Gewalt in Syrien öffentlich verurteilt und gleichzeitig Menschen, die aus Syrien nach Deutschland geflohen sind, keinen Schutz vor eben dieser Gewalt bietet“, so Simone Fischer vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

* Die Namen der vier Flüchtlinge wurden geändert, um zu vermeiden, dass der syrische Geheimdienst deren Verwandte in Syrien in Folge von Veröffentlichungen bedroht oder verhaftet.

 

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