17.09.2010
Dramatische Fluchtszene am Flughafen Frankfurt
Erster Abschiebeversuch nach Afghanistan seit zwei Jahren bekannt geworden
Während die UN von einer dramatischen Zuspitzung der Sicherheitslage für Zivilisten in Afghanistan berichtet, ist in Bayern der bundesweit erste Versuch einer Afghanistanabschiebung seit zwei Jahren bekannt geworden. Der Kriegsdeserteur Ahmad P. (28) sollte am Dienstag, den 07.09.2010 von Frankfurt nach Kabul abgeschoben werden. Mit einem dramatischen Fluchtversuch rettete sich der Afghane, mit einem weiteren Abschiebeversuch ist jedoch zeitnah zu rechnen.
Ahmad P. floh im Jahr 2008 nach seiner Desertion aus der Afghanischen Armee nach Deutschland. Seine berechtigte Angst, im Kampfeinsatz zu sterben, wurde jedoch nicht als Fluchtgrund anerkannt und sein Asylantrag abgelehnt. Seither lebte er mit einer Duldung in Passau, bis er am 24.08.2010 in Abschiebehaft genommen wurde. Straftaten hat Ahmad P. zwar nie begangen, trotzdem setzten ihn Beamte der Bundespolizei am letzten Dienstag in eine Maschine von „Safi Airways“, die um 20.30 Uhr abheben sollte. Wenige Minuten vor dem Start floh Ahmad P. aus dem Flugzeug und rannte auf das Rollfeld – eine lebensgefährliche Tat, wenn in diesem Moment ein Flugzeug gestartet oder gelandet wäre. Ahmad P.s Bruder, Aschraf P., der in München lebt, wertet dies als Selbstmordversuch: „Ahmad sagte mir kurz vor dem Flug, dass er sich umbringen wird, wenn er nach Afghanistan zurück muss“. Denn Ahmad P. hat Angst vor der Rückkehr, er erklärte aus der Haft heraus, er fürchte um sein Leben. Neben der Gefahr durch den bewaffneten Konflikt sind in Afghanistan willkürliche Verhaftungen, Folter, Entführungen und Erpressungen an der Tagesordnung. Lebensmittelpreise in Kabul sind derzeit kaum bezahlbar, die medizinische und sanitäre Versorgung ist weiterhin völlig unzureichend. Wie er seinen Lebensunterhalt in Afghanistan bestreiten soll, ist mehr als unklar, da er dort keine familiäre Unterstützung hat. Lediglich sein 78-Jähriger Vater lebt noch in Afghanistan, sein Aufenthaltsort ist jedoch unbekannt.
Seit zwei Jahren ist dies bundesweit der erste bekannt gewordene Fall eines Asylbewerbers, der ohne Straftaten begangen zu haben nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Die Lage in Afghanistan hat sich indes weiter verschlechtert. Die UN berichtet für das erste Halbjahr 2010 von einem Anstieg der zivilen Opfer des Bürgerkriegs um 30 Prozent: 1.271 zivile Todesopfer und 1.997 Verletzte sind dokumentiert, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert, Ahmad P. umgehend frei zu lassen und weitere Abschiebeversuche zu unterlassen. „Es ist menschenverachtend, dass trotz der dramatisch zugespitzten Sicherheitslage nach Afghanistan abgeschoben wird. Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp“, sagt Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat.