06.03.2007
Die Stunde der Zyniker
Bundesamt ignoriert drohende Verfolgung in Äthiopien
Der Bayerische Flüchtlingsrat und Pro Asyl veröffentlichten im Oktober 2006 Dokumente der äthiopischen Regierung, in denen die Botschaften zu einer neuen Politik gegenüber Exiloppositionellen verpflichtet wurden. Denn sie sind Premierminister Meles Zenawi seit der Parlamentswahl im Mai 2005, die nur mit Einschüchterung der Opposition und Wahlbetrug gewonnen wurde, ein Dorn im Auge und sollen mit der Beihilfe deutscher Ausländerbehörden bekämpft werden. Unter anderem sollen die Botschaften für Oppositionelle, deren Asylanträge abgelehnt wurden, Laissez-Passer (Heimreisepapiere) ausstellen, mit denen die deutschen Behörden die Betreffenden nach Äthiopien abschieben können. Dort sollen sie letztlich wegen vorgeschobener Verbrechen wie ethnischer Säuberung und Unterschlagung verurteilt werden.
Nach der Publikation der Direktive stellte das BAMF die Entscheidung über Asylanträge von ca. 150 ÄthiopierInnen zurück, empfahl weiteren Betroffenen Asylanträge zu stellen, damit ihre Gefährdung erneut geprüft werde und kündigte an, die veränderte Situation zu prüfen. Nun, ein halbes Jahr später, scheint diese Prüfung abgeschlossen zu sein.
Debru Zewdie Ejeta (38), äthiopischer Geologe, der in einem Flüchtlingslager in Neuburg an der Donau lebt und maßgeblich zur Veröffentlichung der Dokumente der äthiopischen Regierung beitrug, hat nun einen Ablehnungsbescheid vom BAMF erhalten. Auf acht Seiten sammelt das BAMF Argumente, um eine Verfolgungsgefahr für Exiloppositionelle im Allgemeinen und für Anhänger der Oromo Liberation Front (OLF) im Besonderen zu verharmlosen. Der Bescheid liest sich nicht wie die Stellungnahme einer Behörde, die für die Prüfung der Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen zuständig ist. Er klingt vielmehr wie die Verteidigungsrede für ein offenkundig repressives Regime.
„Mehrjährige Inhaftierungen ohne Anklageerhebung“
Das BAMF gesteht zu, dass es „zu Diskriminierungen und ‚vorbeugenden’ Festnahmen von bloßen Sympathisanten der OLF“ kommt, „Verhaftungen ohne gerichtliche Anordnung weit verbreitet und auch mehrjährige Inhaftierungen ohne Anklageerhebung und ohne richterliche Anordnung keine Seltenheit sind“. Nicht zur Sprache kommt die Folter in äthiopischen Gefängnissen, die amnesty international und selbst das Auswärtige Amt regelmäßig kritisieren. Das BAMF wertet stattdessen diese rechtsstaatswidrigen Maßnahmen als nicht erheblich, da die äthiopische Regierung lediglich versuche, die innere Sicherheit zu gewährleisten, wobei allein das Strafverfolgungsinteresse im Vordergrund stünde. Deshalb hält das BAMF diese staatliche Verfolgung von OLF-Mitgliedern als „Abwehr von Störungen des öffentlichen Friedens“ für legitim.
Abgeschobene Exiloppositionelle müssten zudem nur dann staatliche Verfolgung nach der Abschiebung befürchten, wenn sie bekannte Oppositionsführer seien. Es gebe keine begründeten Anhaltspunkte, dass jedes OLF-Mitglied bzw. jeder Sympathisant Opfer staatlicher Verfolgung werde. Dabei ignoriert das BAMF eine Rede von Premierminister Meles Zenawi, die er am 22. Oktober 2006 vor dem äthiopischen Parlament gehalten hat. Darin hält er fest, dass allein die Mitgliedschaft in der OLF oder einer anderen oppositionellen Organisation „ohne ein weiteres aktives Zutun ein schwerwiegendes Verbrechen höchster Art und damit ein Hochverrat“ ist.
Eine erhöhte Verfolgungsgefahr seit dem Erlass der äthiopischen Direktive will das BAMF ebenfalls nicht erkennen, denn dem Auswärtigen Amt sei bisher nicht bekannt geworden, dass die in den letzten Monaten abgeschobenen ÄthiopierInnen staatlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen seien.
Keine Verfolgungsgefahr für Debru Zewdie Ejeta?
Über allgemeine Argumentationen hinaus verneint das BAMF die Verfolgungsgefahr für Debru Zewdie Ejeta. Der Bescheid hält dazu fest, Herr Zewdie Ejeta sei den äthiopischen Behörden nicht bekannt. Dies zeige sich zunächst daran, dass bisher von der äthiopischen Botschaft keine Heimreisepapiere ausgestellt wurden. Das BAMF ignoriert dabei jedoch, dass eben diese Botschaft dem Auswärtigen Amt schriftlich bestätigt hat, für Herrn Zewdie Ejeta ein Laissez-Passer auszustellen. Zudem erhielt Herr Zewdie Ejeta eine Bescheinigung, dass er zu den Personen gehört, die „bei der Botschaft für die Ausstellung von Heimreisedokumenten von der Ausländerbehörde vorgeführt werden sollen“. Er könne deshalb nur ein Laissez-Passer erhalten, nicht aber einen Pass.
Im weiteren verweist das BAMF auf die von Herrn Zewdie Ejeta vorgelegten Presseberichte. Ein Artikel der Neuburger Rundschau reiche nicht als Nachweis dafür, dass Herr Zewdie Ejeta bei der Botschaft bekannt sei, da die Botschaftsmitarbeiter die Neuburger Rundschau nicht regelmäßig lesen würden. Doch dabei unterschlägt das BAMF, dass die Süddeutsche Zeitung (SZ) am 6. und 10.10.2006 die äthiopische Direktive in die Öffentlichkeit brachte und am Fall Zewdie Ejeta mit einem Portraitfoto erläuterte. Für den SZ-Artikel vom 10.12.2006 wurde auch die BAMF-Sprecherin Felicitas Graute interviewt, so dass dort kaum glaubhaft vorgeschützt werden kann, man wüsste nur von einem Artikel der Neuburger Rundschau. Dass die äthiopische Botschaft vom Fall Debru weiß, ist unzweifelhaft, denn der Botschafter, Kassahun Ayele, selbst sah sich dazu genötigt, mit einem Leserbrief vom 20.10. die Vorwürfe abzustreiten und begab sich persönlich nach Frankfurt, um im Gespräch mit einem Pro Asyl-Vertreter zu versuchen, sie zu entkräften.
Blanker Zynismus hingegen ist die Argumentation des BAMF in Bezug auf die Einwilligung Herrn Zewdie Ejetas in eine freiwillige Ausreise aus dem Jahr 2005. Sie sei ein Indiz dafür, dass er selbst nicht von einer erhöhten Verfolgungsgefahr ausgehe: „In diesem Zusammenhang erscheint es auch als verwunderlich, dass der Antragsteller […] verbindlich erklärte, ausreisewillig und ausreisebereit in sein Heimatland Äthiopien zu sein […], obwohl er seiner Meinung nach zu den führenden Persönlichkeiten der Exil-OLF gehört, die bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen muss“. Dabei ignoriert das BAMF, dass diese Einwilligung ein Jahr vor Bekanntwerden der Direktive erfolgte.
Der Bayerische Flüchtlingsrat und Pro Asyl protestieren deshalb aufs schärfste gegen die Ablehnung des Bundesamts, ein Asylfolgeverfahren für Debru Zewdie Ejeta durchzuführen und fordern, seine Gefährdung erneut zu prüfen. Nach wie vor besteht eine erhebliche Verfolgungsgefahr für Debru Zewdie Ejeta, falls er nach Äthiopien abgeschoben wird. Deshalb hat Herr Zewdie Ejetas Rechtsanwältin, Gisela Seidler, umgehend einen Eilantrag gestellt, der jedoch keine aufschiebende Wirkung hat.