18.01.2019
Die 20. Afghanistanabschiebung und ihre Betroffenen
Künftiges Ehepaar getrennt | Klasse verliert ihren Mitschüler
Am 07.01.19 fand die erste Sammelabschiebung nach Afghanistan im neuen Jahr statt, es war die 20. Sammelabschiebung nach Afghanistan. Bundesweit wurden dabei 36 Personen nach Kabul abgeschoben – 23 davon kamen aus Bayern. Neben den Personen, über die wir im Vorfeld der Abschiebung bereits berichteten, sind dem Bayerischen Flüchtlingsrat noch weitere Fälle bekannt. Nach und nach treffen Informationen über abgeschobene Lebenspartner, Mitschüler und Bekannte bei uns ein. Diese Berichte machen fassungslos angesichts der Schicksale, die dahinter stecken.
So etwa die Abschiebung von Murtaza A. aus Würzburg: Der 24-jährige besuchte die Berufsintegrationsklasse in der Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS) in Marktheidenfeld. Davor lernte er seit seiner Ankunft in Würzburg im Projekt UNI-Schule deutsch, besuchte die Berufsschule des Berufsförderzentrums und wechselte im September 2018 an die FOS/BOS. Vor kurzem absolvierte er ein Praktikum in der Altenpflegehilfe mit dem Ziel, eine Ausbildung in diesem Bereich zu machen. An der UNI-Schule wie auch in seiner aktuellen Klasse hat Murtaza viele Freunde gefunden, die am Montag für ihn demonstrieren wollen. "Es ist für uns unfassbar, dass das Leben, das sich unser Freund Murtaza mühsam in den letzten dreieinhalb Jahren aufgebaut hat, ihm innerhalb weniger Stunden genommen wurde", so seine Bekannte Ann-Katrin Fauß. Aktuell lebt er in Kabul bei Verwandten von afghanischen Bekannten aus Deutschland – dies ist jedoch nicht mehr lange möglich.
Fawad P., 23 Jahre, aus Lohr am Sommerberg, lebte seit mehr als drei Jahren in Deutschland. Bis ihm die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, arbeitete er in einem Imbiss. Diverse Anträge auf eine erneute Arbeitserlaubnis blieben erfolglos. Fawad spielte im hiesigen Fußballverein und hatte seit mehr als einem Jahr eine deutsche Freundin. Das junge Paar wollte heiraten und versuchte die Unterlagen für die geplante Hochzeit zu besorgen - ein Teil lag bereits dem zuständigen Oberlandesgericht zur Prüfung vor. „Es ist nicht einfach. Wenn wir täglich telefonieren, weinen wir - weil die ganze Situation an unseren Nerven nagt“, erzählt seine Verlobte E. Aktuell ist Fawad wieder in seinem Heimatort in Nangarhar – einer Provinz, die als Hochburg der Terrororganisation „Islamischer Staat“ gilt und regelmäßig von Anschlägen betroffen ist.
„Die immer härter werdende Abschiebepraxis verkennt nicht nur die Situationen im Herkunftsland, sondern ignoriert auch die privaten Lebensverhältnisse der Betroffenen“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Am Montag werden wieder Menschen auf der Straße gehen, um gegen die Abschiebung ihres Freundes und Mitschülers protestieren. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die CSU und die Freien Wähler auf, endlich auf die vielen Stimmen derer zu hören, die sich für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen, und die Abschiebungen nach Afghanistan sofort zu stoppen!“
Demonstration „Stoppt die Abschiebung unserer Freunde!“ | Würzburg, Hauptbahnhof | Mo, 21.01.2019 | ab 18 Uhr
Facebookveranstaltung: https://www.facebook.com/events/352629105332511/