22.03.2013

Deutschkurse topp, Umgang mit Landessozialgericht flopp!

Bayerischer Flüchtlingsrat lobt Haderthauer für ihre Zusage, Deutschkurse für alle einzuführen, kritisiert sie aber massiv für ihren Umgang mit einem Landessozialgerichtsbeschluss zum Asylbewerberleistungsgesetz


Der Bayerische Flüchtlingsrat lobt Sozialministerin Christine Haderthauer explizit dafür, dass sie sich bei der gestrigen Integrationsministerkonferenz in Dresden für Deutschkurse für Flüchtlinge ab dem ersten Tag eingesetzt und damit einen einstimmigen Beschluss ermöglicht hat. Ebenfalls zu loben ist ihre Zusage, mit Deutschkursen in Bayern zu beginnen, auch wenn noch keine Bundesmittel dafür zur Verfügung stehen und Landesmittel eingesetzt werden müssen.

„Die fehlenden Deutschkurse für Flüchtlinge tragen, neben der Lagerunterbringung und den Arbeitsverboten, massiv zur Ausgrenzung und Isolation bei. Denn Flüchtlinge können sich aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht nur mit MitarbeiterInnen von Behörden nicht verständigen, auch die Kommunikation mit ihren direkten NachbarInnen ist massiv erschwert“, erläutert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Aus welchen Motiven auch immer Haderthauer sich nun für Deutschkurse einsetzt, wir freuen uns, dass sie damit wenigstens einer langjährigen Forderung der Flüchtlinge entgegen kommt“.

Massive Kritik über der Bayerische Flüchtlingsrat aber an Haderthauers Umgang mit einem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) zum Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in einem Präzedenzfall aus Regensburg, über den wir bereits letzte Woche berichteten. Das Sozialministerium weigert sich hartnäckig, die bayerischen Sozialämter in Übereinstimmung mit dem LSG-Beschluss anzuweisen, vorläufig auf Sanktionen nach dem AsylbLG zu verzichten und Flüchtlingen das soziokulturelle Existenzminimum von 137 Euro voll auszuzahlen.

Das Sozialministerium teilte uns auf Anfrage mit, dass der LSG-Beschluss lediglich einen Einzelfall regele und keine generelle Gültigkeit für alle Flüchtlinge habe. Jeder Flüchtling müsse eben selbst den Rechtsweg beschreiten und den gleichen Sozialgerichtsbeschluss für sich erwirken. Das Sozialministerium als Landesbehörde habe hier keine Regelungskompetenz, da die Sozialämter das AsylbLG im übertragenen Wirkungskreis des Bundesgesetzgebers vollziehen.

Mit Erstaunen mussten wir jedoch feststellen, dass das Sozialministerium trotz der behaupteten fehlenden Regelungskompetenz die bayerischen Sozialämter bereits mit Schreiben vom 18.02.2013 angewiesen hat, wie die Sanktionen nach dem AsylbLG zu handhaben sind. Grundlage dieses Schreibens ist jedoch nicht der Beschluss des Bayerischen, sondern des Thüringer LSG. Der Thüringer Beschluss regelt ebenfalls einen Präzedenzfall, hält jedoch im Unterschied zum Beschluss des Bayerischen LSG und vieler weiterer Sozialgerichte fest, dass eine Kürzung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz um 30 % zulässig ist.

„Wir sind empört, wie unverfroren sich Sozialministerin Haderthauer über einen Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts hinwegsetzt. Scheinbar will sie unbedingt an der bayerischen Linie, Flüchtlinge durch möglichst schlechte Lebensbedingungen abzuschrecken und zur Ausreise zu nötigen, festhalten. Wenn dafür ein Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts besser geeignet ist, wird das Bayerische Landessozialgericht einfach ignoriert“, kritisiert Alexander Thal. „Anstatt dafür zu sorgen, dass alle Flüchtlinge von Amts wegen zu ihrem Recht kommen, zwingt sie sie, den kostspieligen Rechtsweg zu beschreiten.“


Zum Hintergrund des Beschlusses des Bayerischen Landessozialgerichts:

Das BVerfG hat mit Urteil vom 18.07.2012 die bisherigen Sozialleistungen für Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Die Leistungen seien evident zu niedrig, zudem dürfen sie nicht mehr migrationspolitisch relativiert werden. In einer Übergangsregelung ließ das BVerfG zwar weiterhin die Versorgung von Flüchtlingen mit Sachleistungen wie Essenspaketen zu, legte aber eindeutig fest, dass das soziokulturelle Existenzminimum bar ausbezahlt werden müsse. Es betrug 134 Euro im Jahr 2012, und wurde zum 1.1.2013 auf 137 Euro angehoben.

Eine Bewohnerin des Regensburger Flüchtlingslagers, deren Taschengeld bereits seit November 2011 um 25 % gekürzt wurde, weil sie falsche Identitätsangaben gemacht haben soll, hat Anfang August 2012 Widerspruch beim Sozialamt Regensburg gegen ihre Sanktion eingelegt, weil sie gegen das Urteil des BVerfG verstoße. Da über den Widerspruch nicht entschieden wurde, hat sie beim Sozialgericht Regenburg im November 2012 unter Berufung auf das Urteil des BVerfG einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt. Sie forderte die umgehende Rücknahme der Sanktion und die Auszahlung des vom BVerfG festgelegten soziokulturellen Existenzminimums.

Das Sozialgericht Regensburg wies daraufhin im Dezember 2012 die Stadt Regensburg an, die Sanktion von 25 % aufzuheben und den Betrag in voller Höhe auszubezahlen. Zwar habe sich das BVerfG nicht explizit zu den Sanktionen geäußert. Demnach sei denkbar, dass die Sanktionen weiterhin möglich sind. Genauso sei aber auch denkbar, dass sie unzulässig sind, da sie nicht Mitwirkungspflichtverstöße nach dem AsylbLG sanktionieren, sondern Mitwirkungspflichtverstöße nach dem Aufenthaltsgesetz. Dies könne als migrationspolitische Relativierung gewertet werden. Bis zu einer Neuregelung durch den Bundesgesetzgeber oder eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch das Sozialgericht sei diese Art der Sanktionierung nicht mehr zulässig.

Die Stadt Regensburg legte gegen den Beschluss des Regensburger Sozialgerichts Beschwerde beim LSG ein. Mit seinem aktuellen Beschluss wies das LSG diese Beschwerde nun zurück und bestätigte die Regensburger Entscheidung. Damit ist landesweit einheitlich klargestellt, dass alle Flüchtlinge in Bayern vorläufig die vollen Leistungen erhalten müssen.

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