18.06.2012

Bundesverfassungsgericht prüft das Asylbewerberleistungsgesetz auf seine Verfassungswidrigkeit

Mündliche Verhandlung am 20.06.2012 - dem Internationalen Tag des Flüchtlings Die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und Campact fordern die sofortige Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes

Seit Jahren protestieren Flüchtlinge gegen ihre Unterbringung in Sammellagern, die Versorgung mit Essenspaketen oder -gutscheinen und die medizinische Mangelversorgung, die aus dem im November 1993 in Kraft getretenen Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) resultieren. Flüchtlinge, die diese Leistungen in bar ausbezahlt bekommen, erhalten Leistungen, die um 40 Prozent unter Hartz-IV-Niveau liegen. Die Höhe der Leistungen wurde 1993 willkürlich festgesetzt und seitdem nie angehoben, obwohl die Preise mittlerweile um 35 Prozent gestiegen sind. Nicht einmal die Euro-Umstellung ist in das AsylbLG eingegangen.

Nun steht das Asylbewerberleistungsgesetz auf dem Prüfstand. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen kam zu dem Ergebnis, dass das AsylbLG verfassungswidrig ist und legte es dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vor. Es bezog sich auf das BVerfG-Urteil vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelsätzen, nach dem die Höhe der staatlichen Sozialleistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums transparent und nachvollziehbar ermittelt und bedarfsdeckend sein muss. Dies sei beim AsylbLG nicht der Fall. Geklagt hatten Flüchtlinge aus Nordrhein-Westfalen, die die Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Bargeld erhalten.

Noch gravierender sind die Einschränkungen des Existenzminimums etwa in Bayern oder Baden-Württemberg, wo die Flüchtlinge regelmäßig in Sammellager eingewiesen werden, minderwertige Kleidungs- und Essenspakete als "Sachleistung" erhalten und dazu einen "Barbetrag" gemäß AsylbLG von nur 40,90 Euro/Monat. Von diesem Barbetrag von 2,33 Euro am Tag muss der gesamte persönliche Bedarf an ÖPNV-Tickets, Telefon, Porto, Rechtsanwalt, Internet, Schreibmaterial, Bildung, Kultur, Freizeit usw. sowie alles Notwendige, was nicht in den Paketen ist, bezahlt werden. Auch die Höhe des "Barbetrags" steht in Karlsruhe auf dem Prüfstand. Für den entsprechenden Bedarf ist im ebenfalls unzureichenden Hartz-IV-Regelsatz das Dreifache als Existenzminimum angesetzt.

Dass das AsylbLG verfassungswidrig ist, hat die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, bereits am 10. November 2010 in einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage mitgeteilt. Das AsylbLG entspricht „nicht den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts“ zu Hartz IV und wird daher von der Bundesregierung überprüft (Bundestagsdrucksache 17/3660, S. 4). Doch seitdem ist nichts geschehen.

PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Campact fordern, dass in Deutschland lebende Flüchtlinge endlich menschenwürdig behandelt werden. Ein längst überfälliger Schritt dorthin könnte übermorgen am Weltflüchtlingstag eingeleitet werden.

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