16.06.2015
Bund und Länder planen Sonderlager für Balkan-Flüchtlinge
Ministerpräsidentenkonferenz am 18.6.15 soll entsprechende Pläne beschließen / Großer Anteil an Roma unter Balkan-Flüchtlingen / Deutschland muss historischer Verantwortung gerecht werden
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 18.6.2015 in Berlin sollen die Planungen von Bund und Ländern für eine Neuausrichtung der Asylpolitik beschlossen werden. Durchgesetzt hat sich offenbar das Aschenputtel-Prinzip: Die ‚guten’ Flüchtlinge mit Bleibeperspektive sollen ins ‚Töpfchen’ und bereits im Asylverfahren Zugang zu Integrationskursen und eine verbesserte medizinische Versorgung bekommen. Die ‚bösen’ Flüchtlinge, die angeblich „tausendfachen Asylmissbrauch“ begehen (Bayerns Innenminister Joachim Herrmann), kommen ins ‚Kröpfchen’, sollen in Sonderlagern untergebracht und schnellstmöglich abgeschoben werden.
Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière sollen letztere „in andere Verfahren und Einrichtungen kommen“. De Maizières Haus hat dafür den Vorschlag entwickelt, bundesweit zwei bis drei große Sonderlager mit 3.000-5.000 Plätzen einzurichten, in denen ausschließlich und alle Balkan-Flüchtlinge untergebracht werden. In diesen Sonderlagern sollen die Asylanträge durch MitarbeiterInnen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge innerhalb weniger Tage abgelehnt werden. Auch die Verwaltungsgerichte sollen dort Außenstellen einrichten und Klagen gegen die Ablehnungen zeitnah abweisen. Die sich anschließenden Abschiebungen soll die Bundespolizei durchführen. Ihre Verteilung auf die Bundesländer, in die Landkreise und kreisfreien Städte, ist nicht mehr vorgesehen.
Die bayerische Staatsregierung unterstützt diese Pläne auf ganzer Linie. Nach ihren Plänen sollen die bereits in Bayern geltenden generellen Arbeitsverbote für alle Balkan-Flüchtlinge bundesweit ausgeweitet werden. Den Flüchtlingen, die damit in die Abhängigkeit von Sozialleistungen gezwungen werden, sollen diese auch noch gekürzt werden mit dem Argument, sie seien nur zum Sozialleistungsbezug eingereist. Diese Argumentation ist nicht nur menschenfeindlich, sie ist auch schlicht verfassungswidrig: Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche migrationspolitische Relativierung des menschenwürdigen Existenzminimums explizit untersagt hat.
Besonders gravierend ist bei diesen Vorhaben, dass dringende Schutzgründe bei Balkan-Flüchtlingen bestehen können, gerade wegen des hohen Anteils an Roma. Bei den für sicher erklärten Herkunftsländern Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien liegt er in den Monaten Januar bis März 2015 zwischen 57 und 92 %, bei Albanien und dem Kosovo zwischen 6 und 21 %. Roma sind die am meisten verfolgte Minderheit in ganz Europa. Obwohl ihre Diskriminierung auf dem Balkan ein Niveau erreicht hat, das ihre Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund einer gruppenspezifischen Verfolgung erlauben würde, werden sie in Schnellverfahren abgefertigt und zur Ausreise gezwungen.
„Die geplanten Sonderlager sollen Balkan-Flüchtlinge, zum großen Teil Roma, abschrecken, ausgrenzen, isolieren und sie dazu bewegen, schnellstmöglich aus Deutschland zu verschwinden“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Was Bund und Länder hier planen, ist die Fortsetzung der Diskriminierung von Roma, jedoch nicht mit körperlicher Gewalt und offener Anfeindung, wie auf dem Balkan, sondern mit der eiskalten Gründlichkeit deutscher Bürokratie. Diese Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit den Nachfahren der Opfer des nationalsozialistischen Völkermords ist schockierend!“