27.10.2004

Breites Bündnis fordert Bleiberecht

DGB, PRO ASYL und Dr. Christian Schwarz-Schilling appellieren an Bundestag und Innenministerkonferenz: Human handeln – den Realitäten Rechnung tragen

Pro Asyl: Ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Rechtsanwalts- und Richtervereinigungen, Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsinitiativen erhebt erneut die Forderung nach einem dauerhaften Aufenthaltsrecht für langjährig geduldete Menschen. Beschließen kann dies der Bundestag, der gegenwärtig über ein erstes Änderungsgesetz zum Zuwanderungsgesetz (Ergänzungsgesetz) berät. Auch die Innenministerkonferenz, die sich bei ihrer nächsten Sitzung am 18./19. November 2004 ohnehin mit dem Schicksal verschiedener Flüchtlingsgruppen befassen muss, hat die Möglichkeit, mit einem Bleiberechtsbeschluss endlich den Realitäten Rechnung zu tragen.

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ist die dauerhafte rechtliche und soziale Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe nicht zu beseitigen, so die Teilnehmer der heutigen Pressekonferenz einhellig. Kettenduldungen werden auch künftig als Folge engherziger Gesetze und restriktiver Behördenpraxis an der Tagesordnung sein. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Analyse der die Duldung betreffenden Regelungen des Zuwanderungsgesetzes, die das Bündnis heute der Öffentlichkeit vorstellte. DGB, PRO ASYL und Dr. Christian Schwarz-Schilling fordern deshalb eine großzügige und unbürokratische Bleiberechtsregelung, mit der die vielen „Altfälle“ human und pragmatisch gelöst werden können.

Bestätigt sieht sich das Bündnis durch den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, der eine von PRO ASYL, Dr. Christian Schwarz-Schilling und Tausenden von Unterstützenden eingereichte Petition grundsätzlich positiv beschied. Der Petitionsausschuss empfiehlt, die Situation der langjährig Geduldeten in die aktuelle parlamentarische Beratung des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze einzubeziehen. Humanitäre Aspekte sollten im Vordergrund stehen. Die Härtefallregelung des am 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Aufenthaltsgesetzes sei angesichts der Vielzahl der Betroffenen nicht ausreichend.

Von den rund 217.000 Geduldeten leben mehr als 150.000 seit über 5 Jahren, weitgehend rechtlos und unter erniedrigenden Bedingungen, in Deutschland. Allein 83.000 stammen aus dem früheren Jugoslawien, u.a. dem Kosovo, 14.000 aus der Türkei, 8.000 aus Afghanistan und Vietnam. Die Zahl der geduldeten Syrer (6.300) hat sich in den letzten zwei Jahren nahezu verdoppelt, ebenso die Zahl der geduldeten Iraker (ca. 6.000). Die rigide Asylpraxis führt auch zu einer steigenden Zahl russischer Geduldeter, insbesondere aus Tschetschenien (3.900).

Dr. Christian Schwarz-Schilling, internationaler Streitschlichter für Bosnien und Herzegowina mahnte die Innenminister des Bundes und der Länder, endlich über den Graben zu springen und einen Schlussstrich unter die vielen tragischen Flüchtlingsschicksale zu ziehen. Die flüchtlingspolitischen Beschlüsse der Innenministerkonferenz sowie auch das Zuwanderungsgesetz führten Tausende von Fällen keiner Lösung zu. Für viele langjährig Geduldete wäre die angedrohte oder durchgeführte Abschiebung eine zweite Vertreibung. Insbesondere sei es widersinnig, Kinder, die in Deutschland aufgewachsen seien, in ein fremdes Herkunftsland auszuweisen: „Wozu brauchen wir eigentlich Integrationskurse, wie sie das Zuwanderungsgesetz vorsieht, wenn längst integrierte Flüchtlinge oder Ausländer und ihre Kinder ohne Rücksicht auf ihre Integrationsleistung weggeschickt werden?“, sagte Dr. Christian Schwarz-Schilling.

Als unvereinbar mit der Menschenwürde und darüber hinaus unvernünftig kritisierte Volker Roßocha, DGB Bundesvorstand, die Absicht des Bundesinnenministeriums, Geduldeten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu versperren. Langjährig Geduldete müssten einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben: „Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, die Möglichkeit der eigenständigen Lebensführung und Unterhaltssicherung zu geben, ist human und verringert die Sozialhilfekosten.“

Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, erinnerte daran, dass die menschenrechtliche Situation in vielen Herkunftsländern, aus denen Langzeitgeduldete stammen, katastrophal sei. „Diese Realität muss endlich ebenso anerkannt werden wie die Tatsache, dass aus Flüchtlingen, denen man oft den ihnen zustehenden Status verweigert hat, Einwanderer geworden sind“, so Burkhardt.

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