10.08.2015

Besuch von Innenminister de Maizière in Passau

Situation der Flüchtlinge bei Bundespolizei in Passau menschenunwürdig / Flüchtlingsrat: „Bundes- und Landespolizei müssen grenznahe Personenkontrollen massiv reduzieren“


Bundesinnenminister Thomas de Maizière besucht morgen Deggendorf und Passau, um sich über die Arbeit der Bundespolizei zu informieren. Geplant ist ein Besuch in der Bundespolizeidirektion Passau, nicht jedoch in der bundespolizeilichen Kontrollstelle für Flüchtlinge auf dem Gelände des THW Passau. Dort stehen derzeit lediglich 60 bis 80 Plätze zur stundenweisen Unterbringung für täglich rund 700 neu aufgegriffene Flüchtlinge zur Verfügung. Die Bedingungen sind entsprechend menschenunwürdig, Flüchtlinge warten bei brennender Sonne, Sturm und Regen auf ihre Kontrolle und den Weitertransport in die Erstaufnahmeeinrichtung in Deggendorf.

Anlässlich de Maizières Besuchs in Passau fordert der Bayerische Flüchtlingsrat, die Personenkontrollen im grenznahen Raum durch Bundes- und Landespolizei massiv zu reduzieren. Mit diesen Kontrollen lassen sich Flüchtlinge nicht abwehren, wie von der Politik behauptet, sie führen nur dazu, eine Vielzahl von Flüchtlingen in Bayern ins Asylverfahren zu zwingen, die andere Ziele haben – viele versuchen, zu Familienangehörigen, Freunden und Verwandten in anderen deutschen Städten aber auch in anderen EU-Staaten zu kommen.

Deutschland ist damit einer der wenigen EU-Staaten, die die Dublin-Verordnung noch ernst nehmen. Die meisten anderen EU-Staaten registrieren nur noch die Flüchtlinge, die registriert werden wollen. Dass das Dublin-System nicht aufrechterhalten werden kann, zeigt sich seit den Ereignissen vor der italienischen Insel Lampedusa im Herbst 2013. Nachdem fast 500 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, startete Italien die Operation Mare Nostrum und rettete innerhalb eines Jahres rund 150.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Italiens Appelle an seine EU-Partner zur Unterstützung verhallten ungehört, kein einziger EU-Staat beteiligte sich an den Kosten der Operation, kein EU-Staat nahm auch nur einen einzigen Flüchtling aus Italien auf. Nachvollziehbar, dass Italien als Außengrenzenstaat damit begann, nur noch die Flüchtlinge zu registrieren, die in Italien bleiben wollen. Alle Anderen können ungehindert weiterreisen. Auch einige andere EU-Staaten, darunter Österreich, schlossen sich dieser Praxis an.

Die Bundes- und die bayerische Staatsregierung begründen ihr Handeln mit der Dublin-Verordnung: man sei gezwungen, die Flüchtlinge zu kontrollieren. Dies ist nicht richtig. Tatsächlich verstößt Deutschland aufgrund der intensiven Grenzkontrollen gegen die europäische Freizügigkeit, eine der Grundfesten der Europäischen Union. Im Jahr 2014 führte allein die Bundespolizei über 2,3 Millionen Kontrollen im grenznahen Raum durch, im Jahr 2015 dürften es deutlich mehr werden. Die EU-Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.

„Anstatt den Notstand bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu inszenieren, fordern wir Innenminister Thomas de Maizière auf, die Praxis der Grenzkontrollen sofort zu ändern. Deutschland verstößt mit ihnen massiv gegen das Schengenabkommen und riskiert dafür eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Dieser Grenzkontrollwahnsinn führt außerdem dazu, dass Bayern alle aufgegriffenen Flüchtlinge zunächst aufnehmen, registrieren, unterbringen und weitertransferieren muss, obwohl ihr Ziel ein anderer EU-Staat oder eine andere deutsche Stadt ist. Wenn wir die Durchreise durch Bayern hinnehmen, hilft das den Flüchtlingen, enlastet die bayerischen Behörden bei der Unterbringung und beendet den fortdauernden Verstoß gegen das Schengenabkommen und damit den Konflikt mit der EU-Kommission!

Zurück