16.02.2019

Bestens integriert, Ausbildungsplatz, abgeschoben nach Kabul?

Brief einer ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin

Den nachfolgenden Brief schrieb Frau Stubenrauch am 8. Februar an Staatssekretär Eck. Bislang hat sie keine Antwort bekommen. Stattdessen erfuhr sie gestern Nachmittag, dass Herr S in Kempten festgenommen wurde. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach vorgesehen für die Abschiebung nach Afghanistan am kommenden Montag, 18.02.2019. Der Brief dokumentiert exemplarisch die ganze Last, die auf den Ehrenamtlichen liegt, und die ganze Absurdität bayerischer Abschiebepolitik, die bestens integrierte und dringend gesuchte Arbeitskräfte auf die Abschiebeliste setzt.

 

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Gerhard Eck,

mein Name ist Marlies Stubenrauch aus Kempten im Allgäu. Ich betreue seit November 2015 (ehrenamtlich über den Helferkreis der Diakonie) Flüchtlinge bei ihrer Integration. Den Schwerpunkt meines Engagements legte ich darauf, dass die Geflüchteten schnell die deutsche Sprache erlernen. Die jungen Leute versuchte ich zu überzeugen, die Berufsschule zu besuchen, um einen deutschen Hauptschulabschluss zu absolvieren, damit sie eine Ausbildung beginnen können. Auch damals sprach man schon über den Fachkräftemangel.

Ich bitte Sie, den nachstehenden Fall zu unterstützen, damit Herr S eine Ausbildungsgenehmigung bekommt. Der Fall S ist ein typischer Fall dafür, dass auch gut integrierte Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen möchten, abgeschoben werden. Dies ist sehr frustrierend für ehrenamtliche Helfer. Wir engagieren uns in unserer Freizeit, und unterstützen die jungen Leute bei ihrer Integration. Wenn unsere Arbeit dann Früchte trägt, werden unsere Schützlinge abgeschoben. Herr S ist kein Einzelfall; viele Flüchtlinge, die ich betreute und die gut integriert waren, sind schon abgeschoben oder wieder auf der Flucht aus Angst vor Abschiebung.

Schilderung zu diesem Fall:

Herrn S droht die Abschiebung, obwohl er sich mit viel Fleiß und mit großer Anstrengung integriert hat. Er könnte am 01.09.2019 eine Ausbildung als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik bei der Firma Ekraft in Wolfertschwenden beginnen. Eine schriftliche Zusage für den Ausbildungsplatz liegt bereits vor. Zusätzlich wurde noch ein Gleichwertstellungsverfahren zu diesem Beruf bei der HWK Augsburg gestellt. Der Zugang wurde bereits bestätigt. Herr S hat zu diesem Beruf eine dreijährige Fachausbildung im Iran absolviert. Dieser Beruf ist ein Mangelberuf und es werden laut HWK dringend Fachkräfte benötigt. Herr S würde auch die Zeit bis zum 01.09.2019 Vollzeit bei der Zeitarbeitsfirma time-Partner in Kempten arbeiten, um seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern. Dafür benötigt er aber die Sicherheit, dass er bis zum Ausbildungsbeginn nicht abgeschoben wird und ihm eine Arbeitsgenehmigung erteilt wird.

Im anliegenden Fall des Herrn S war der Weg zu einer Ausbildung schon von Anfang an sein eigenes Ziel. Er besuchte die Berufsschule und absolvierte erfolgreich einen mittleren Schulabschluss. Während der Berufsschulzeit und auch danach absolvierte er zu mehreren Berufen Praktika um einen Ausbildungsplatz zu finden. Eigentlich war sein Ziel Elektroniker für Gebäude- und Energietechnik, da er zu diesem Beruf bereits eine gute Vorbildung aus dem Iran hatte. Aber auch der Beruf des Restaurantfachmannes, Einzelhandelskaufmannes und des Bäckers gefiel ihm gut.

Wir beschlossen gemeinsam, mit Unterstützung der IHK, einen Ausbildungsplatz für ihn zu finden. Er hätte im Hotel Hanusel Hof in Hellengerst einen Ausbildungsplatz als Koch bekommen, doch die IHK teilte uns mit (nach Rücksprache mit der ZAB Augsburg), dass keine Ausbildungsgenehmigung mehr erteilt werde. Er bekam auch noch eine Ausbildungszusage von der Bäckerei Speiser in Waltenhofen als Bäcker und wir reichten den Ausbildungsvertrag mit einem Gesuch an die ZAB Augsburg ein. Dies wurde abgelehnt.

Herr S ist ein gutes Beispiel, wie gute Integration funktioniert, und von der Ausländerbehörde zerstört wird.

Ich könnte Ihnen viele solche Fälle schildern, manche Kämpfe haben wir gewonnen und manche aber auch verloren. Doch eins ist sicher, ohne Unterstützung von uns Ehrenamtlichen würden nur wenige Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen können. Inzwischen müssen wir Ehrenamtlichen viel Zeit und Energie für Rettungsaktionen gut integrierter Flüchtlinge aufwenden, so dass kaum noch Zeit bleibt für andere Unterstützungen zur Integration.


Mit freundlichen Grüßen

 

Marlies Stubenrauch

Helferkreis der Diakonie Kempten

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