29.02.2012

Bayern startet Abschiebungen nach Afghanistan

Ismail Afzali in Abschiebehaft / Theater und Protestaktionen junger Flüchtlinge gegen ihre drohende Abschiebung

 

1. März 2012 | 20 Uhr | Münchner Kammerspiele, Werkraum Lesung und Theater mit jungen Flüchtlingen: Zwei Stühle um mit dir zu sitzen 3. März 2012 | 13.45 Uhr | Karlsplatz/Stachus, München Bayernweite Flüchtlingsdemo: Stop deportations to Afghanistan!


Das Bayerische Innenministerium hat die Ausländerbehörden in einem aktuellen Rundschreiben dazu aufgefordert, mit den Abschiebungen nach Afghanistan zu beginnen. Als einen der ersten trifft es Ismail Afzali (21), der vor drei Jahren nach Passau kam und jetzt bereits in München Stadelheim in Abschiebehaft sitzt. Mit einer Demonstration am Samstag, den 03. März, sowie einer Lesung in den Kammerspielen am Donnerstag, den 01. März, protestieren Flüchtlinge und Flüchtlingsorganisationen gegen die drohenden Abschiebungen und fordern einen formellen Abschiebestopp.


Ismail Afzali floh vor drei Jahren alleine nach Deutschland. Seine Eltern waren nach Taliban-Angriffen mit den Geschwistern nach Pakistan geflohen. In Passau lernte er deutsch, engagierte sich ehrenamtlich und fand zahlreiche Freunde. 2011 fand er einen Arbeitsplatz in München – statt die Arbeit beginnen zu können, wurde die Abschiebung eingeleitet. Erst nach breiten Protesten wurde sie ausgesetzt. Als Anfang 2012 deutlich wurde, dass ein zweiter Abschiebeversuch ansteht, tauchte Ismail unter. Nun wurde der junge Afghane von der Polizei aufgegriffen und soll abgeschoben werden. In Afghanistan erwartet ihn eine katastrophale Situation: Die Anzahl ziviler Opfer hat sich seit 2007 fast verdoppelt. 3021 tote Zivilisten sind wurden Jahr 2011 dokumentiert, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. In Kabul hat sich die Sicherheitslage durch die Aufstände der letzten Tage zudem erneut verschärft, weshalb Deutschland seine ISAF-Mitarbeiter abzog. „Wenn man morgens sein Haus verlässt, dann ist nicht sicher, ob man abends zu seiner Familie zurückkehrt“, sagt Ali, der als 17-jähriger Flüchtling in Bayern lebt. „Jetzt kommen die Albträume zurück, eine Abschiebung wäre eine Katastrophe“.


Ismail Afzali hat keine Angehörigen in Afghanistan. Ohne soziale Netzwerke ist ein Überleben in Kabul jedoch unmöglich. Drei Millionen Afghanen sind nach UN-Prognosen vom Hunger bedroht, da Lebensmittel kaum bezahlbar sind. Insbesondere in den Wintermonaten sind Todesfälle durch fehlende Versorgung an der Tagesordnung. Zudem ist das Land mit der Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Iran und Pakistan bereits vollständig überfordert: Rückkehrer sind meist obdachlos oder leben in Slums. Allein in Kabul leben 35000 Flüchtlinge in Zeltlagern und Notbehausungen. Die (medizinische) Versorgungslage ist katastrophal und die Reintegration nahezu vollständig gescheitert. Vor diesem Hintergrund bezeichnete Peter Nicolaus, UNHCR-Vertreter in Afghanistan, die bisherige Rückkehrstrategie als größten Fehler in der Geschichte des UNHCR.


„Flüchtlinge in ein Bürgerkriegsgebiet zu schicken und sie Hunger, Obdachlosigkeit und Todesgefahr auszusetzen, ist menschenverachtend“, erklärt Markus Geisel vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Während ISAF-Mitarbeiter aufgrund der Gefahrenlage abgezogen werden, plant Bayern Flüchtlinge abzuschieben. Dies ist an Zynismus kaum zu überbieten. Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp für Ismail und alle anderen Afghanen in Bayern.“

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