16.09.2015
Balkan-Sonderlager in Bamberg eröffnet
Flüchtlingsrat: Populistische Abschreckungspolitik verschwendet Ressourcen, die für die Bewältigung der aktuell großen Herausforderungen dringend gebraucht würden
Am heutigen Mittwoch eröffnete Bayerns Sozialministerin Emilia Müller in Bamberg das zweite bayerische Balkan-Sonderlager für 1.500 Flüchtlinge aus den Balkanstaaten. „Aufnahme- und Rückführungszentrum für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive“ heißt die Einrichtung in Bamberg offiziell, bei der es sich, wie bei der in Manching, um ein Abschiebezentrum handelt. In dem Sonderlager seien „alle Beteiligten unter einem Dach versammelt. Verwaltung, Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Verwaltungsgericht arbeiten Hand in Hand“, erklärte Müller heute in einer Pressemitteilung, – Hand in Hand, um die Flüchtlinge innerhalb weniger Wochen abzulehnen und abzuschieben. Der Zweck dieser Abschiebezentren ist klar: Die Kasernierung der Balkan-Flüchtlinge dient der Abschreckung, wie Innenminister Joachim Herrmann bereits im August offen einräumte.
Dass die bayerische Staatsregierung bereits damit begonnen hat, vermeintliche Erfolge ihrer Abschreckungspolitik zu verkünden, war zu erwarten. Die Zahl der Flüchtlinge aus den Balkan-Staaten ist massiv zurückgegangen, was die Asylantragsstatistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) belegen. Noch im Februar 2015 machten Flüchtlinge aus dem Kosovo mit 42,7% aller Zugänge die größte Gruppe aus, im Juli 2015 ist es, genau wie Bosnien-Herzegowina und Montenegro, nicht mehr unter den zehn wichtigsten Herkunftsländern. Lediglich aus Albanien gibt es weiterhin hohe Zugangszahlen (20,9% der Antragsteller im Juli), doch auch hier lassen Berichte aus den Transitländern bereits einen starken Rückgang vermuten.
„In Bamberg werden wie in Manching Flüchtlinge qua Herkunft kaserniert und isoliert, um sie am Fließband abzuschieben. Das individuelle Asylrecht wird nahezu ausgehebelt, wenn Asylanträge nur oberflächlich geprüft werden und Flüchtlinge kaum mehr eine Chance haben, Beratung und Rechtsmittel zu nutzen. Vor allem Minderheitenangehörige aus den Balkan-Staaten haben häufig wichtige Schutzgründe. In den Abschiebezentren sind sie jedoch kaum mehr in der Lage, diese überhaupt noch geltend zu machen. Zudem zeigen die aktuellen Zugangsstatistiken, dass die Abschiebezentren in keiner Weise notwendig sind. Die Bayerische Staatsregierung greift mit den Sonderlagern nur in die asylpolitische Mottenkiste und setzt einseitig auf Abschreckung, wo eine gründliche Prüfung von Einzelschicksalen notwendig wäre“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.
„Wir stehen derzeit vor der großen Herausforderung, die vielen neu angekommenen Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und vielen anderen Kriegsgebieten dieser Welt menschenwürdig unterzubringen, ihre Asylverfahren schnell zu bearbeiten und ihre Integration vorzubereiten. Dazu gäbe es viele Möglichkeiten, z.B. durch die Aussetzung der Dublin-Verordnung, die große personelle Ressourcen des BAMF bindet, oder die Abschaffung der rigiden Lagerpflicht für Flüchtlinge in Bayern, die es bisher verhindert, dass Flüchtlinge auch privat untergebracht werden können. Die Balkan-Sonderlager verschwenden für eine populistische Abschreckungspolitik jedoch nur Ressourcen, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden“.