29.04.2015

Balkan-Phobie: Bayern setzt auf Arbeitsverbote

Innenministerium hat Ausländerbehörden angewiesen, Flüchtlingen vom Balkan keine Arbeitserlaubnisse mehr zu erteilen / Kollateralschäden werden billigend in Kauf genommen


Nachdem gestern die CSU-Staatsregierung ihre verfassungswidrigen Pläne vorstellte, Flüchtlingen vom Balkan die Sozialleistungen zu kürzen, um sie dadurch von einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken, wurde uns eine Weisung aus dem Innenministerium zugespielt. Darin werden die Ausländerbehörden angewiesen, „Asylbewerbern und Geduldeten aus sicheren Herkunftsstaaten […] oder deren Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF aus sonstigen Gründen als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist […] ab sofort grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse mehr zu erteilen oder zu verlängern.“

Diese generellen Arbeitsverbote treffen in erster Linie Flüchtlinge vom Balkan, denn zu sicheren Herkunftsländern wurden mit dem Kretschmann-Kompromiss auch Serbien, Bosnien und Mazedonien erklärt. Zudem werden derzeit nahezu alle Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern und aus Albanien und dem Kosovo ohne genauere Prüfung in Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die Begründung für die Arbeitsverbote liefert die Weisung gleich mit: „Die Versagung der Beschäftigungserlaubnis soll deutlich machen, dass mit dem Stellen aussichtsloser Asylanträge nicht das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden kann.“ Das Innenministerium setzt damit erneut eine Verbesserung aus dem Kretschmann-Kompromiss nicht um. Vereinbart war, dass Flüchtlingen der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert wird. Bereits drei Monate nach der Einreise entfällt das generelle Arbeitsverbot, die anschließende Nachrangigkeitsprüfung entfällt nach 15 Monaten.

Wenn sich die Staatsregierung an der Debatte um Flüchtlinge beteiligt, die übers Mittelmeer nach Europa kommen, fordert sie regelmäßig die Bekämpfung der Fluchtursachen, obwohl das bei Herkunftsländern wie Syrien oder Eritrea schwierig werden dürfte. Wenn es sich jedoch um Flüchtlinge vom Balkan handelt, setzt sie offen auf Abschreckung durch alle Schikanen, die irgendwie denkbar sind, selbst wenn sie rechtswidrig sind oder gegen Grundgesetz verstoßen. Dabei wäre gerade der Balkan gut geeignet, um mit einer intelligenten Förderpolitik zu beweisen, dass sich Fluchtursachen bekämpfen lassen. Mit gezielten Investitionen ließen sich viele Arbeitsplätze schaffen, die Menschen hätten wieder eine Perspektive und müssten weder flüchten, noch ihre Minderheiten diskriminieren.

Doch die Abschreckung der Balkan-Flüchtlinge hat oberste Priorität, Innenminister Joachim Herrmann nimmt dafür sogar Kollateralschäden billigend in Kauf. Denn die Arbeitsverbote treffen auch Flüchtlinge aus den sicheren Herkunftsländern Senegal und Ghana, die derzeit mindestens zwei Jahre warten, bis sie überhaupt vom BAMF zu ihren Fluchtgründen befragt werden. Auch sie sitzen dann in den bayerischen Flüchtlingslagern fest, ohne Arbeit, ohne Deutschkurse, ohne Perspektive.

Die meisten Flüchtlinge vom Balkan sind Roma, Angehörige der am meisten verfolgten Minderheit in ganz Europa. Ihre Diskriminierung hat ein solches Ausmaß angenommen, dass man sie als gruppenspezifische Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention werten kann. Doch die bayerische Staatsregierung setzt allein auf Abschreckung, ignoriert vereinbarte Kompromisse, bricht geltendes Recht und plant den offenen Verfassungsbruch“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Entweder hat die Balkan-Phobie der Staatsregierung wirklich die Sinne vernebelt und sie weiß nicht was sie tut. Oder sie tut dies absichtlich, um ihren rechten Rand abzudecken. In beiden Fällen ist dies jedoch grundfalsch. Denn fremdenfeindliche Parolen bekämpft man nicht dadurch, dass man sie selbst übernimmt, sondern dadurch, dass man ihnen entschlossen entgegentritt. Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, ihre Hetze gegen Flüchtlinge vom Balkan sofort zu beenden und die Weisung zu den Arbeitsverboten zurückzunehmen!

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