20.08.2009

Aus für Abschiebelager Fürth

Das umstrittenste bayerische Flüchtlingslager wird nach 7 langen Jahren endlich geschlossen / „Zermürbetaktik“ des Innenministeriums erfolglos und inhuman

„Wenn man so will, dann kann man es als Zermürbetaktik bezeichnen“, sagte Christoph Hammer, der ehemalige Leiter der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS), im Jahr 2002 über das ihm unterstellte Ausreisezentrum in Fürth den Nürnberger Nachrichten – und offenbarte damit in unverholener Deutlichkeit, was mit dem Fürther Abschiebelager bezweckt werden soll.

In das im September 2002 eröffnete Straflager des Innenministeriums wurden geduldete Flüchtlinge eingewiesen, denen die Ausländerbehörden unterstellten, ihre eigene Abschiebung „rechtsmissbräuchlich“ zu verhindern. Mit massivem psychischem Druck sollten die Flüchtlinge dazu genötigt werden, „freiwillig“ aus Deutschland auszureisen, weil eine zwangsweise Abschiebung nicht möglich war. Als Maßnahmen wurden die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Insassen auf das Fürther Stadtgebiet, Leben hinter Gittern, regelmäßige Verhöre, Bewachung durch einen privaten Sicherheitsdienst, Entzug des „Taschengeldes“ von monatlich 40 Euro, strikte Arbeitsverbote, tägliche Ausgabe der Lebensmittelpakete zur Sicherstellung der regelmäßigen Anwesenheit, Zimmerdurchsuchungen, Meldepflichten und Anwesenheitskontrollen angewandt. Selbst der Besitz privater Möbel und Kühlschränke wurde untersagt.

Gegründet als Prestigeprojekt des damaligen Innenministers Günther Beckstein, entwickelte sich das Ausreisezentrum schnell zum Schandfleck bayerischer Flüchtlingspolitik. Neben Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Parteien und Gewerkschaften forderte selbst die evangelische Landessynode im März 2004 ihren Synodalen Beckstein auf, das Abschiebelager zu schließen. Doch der ließ sich nicht erweichen, obwohl sich bereits damals die an den eigenen Zielen gemessene Erfolglosigkeit abzeichnete: Während lediglich eine Handvoll Flüchtlinge vor dem massiven Druck kapitulierte und sich zur „freiwilligen“ Ausreise zwingen ließ, entzog sich etwa die Hälfte der eingewiesenen Flüchtlinge dem repressiven Abschiebelagersystem durch Untertauchen in die Illegalität. Die Folgen für die wenigen verbliebenen Flüchtlinge waren körperliche und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Alkoholismus.

Anfänglich plante das Innenministerium die Einrichtung weiterer Ausreisezentren in Bayern, scheiterte jedoch auch mit diesem Vorhaben vor allem am Widerstand der bayerischen Städte und Gemeinden. Der frühere Bürgermeister der kleinen oberbayerischen Gemeinde Engelsberg, Franz Ketzer (CSU), widersetzte sich den Plänen des Innenministeriums, dort ein Ausreisezentrum einzurichten, mit den Worten: „Wir können doch nicht Menschen in ein Lager mit Drei-Meter-Zaun und Wachturm sperren, das sieht doch aus wie ein KZ“.

Der Bayerische Flüchtlingsrat wertet die von der Regierung von Mittelfranken bestätigte Schließung des Ausreisezentrums Fürth als späten aber vollen Erfolg des massiven Widerstands gegen dieses Abschiebelager durch den Flüchtlingsrat, die Karawane Nürnberg, das Netzwerk „Deutschland Lagerland“ und vieler weiterer beteiligter Organisationen. „Damit geht die Ära der Zermürbung im einzigen bayerischen Abschiebelager ihrem Ende entgegen“, kommentiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir warnen jedoch vor dem Irrglauben, dass damit die Repression durch die ZRS beendet ist, wie das von ihr verhängte Verbot für alle Flüchtlinge aus den Regierungsbezirken Oberpfalz, Ober-, Mittel- und Unterfranken, zur Demo gegen Flüchtlingslager am 13. Juni 09 vor dem Bayerischen Landtag zu fahren, beweist. Solange der ZRS, die besser ‚Zentrale Repressionsstelle’ heißen sollte, nicht das Handwerk gelegt wird, bleibt die Zermürbung von Flüchtlingen in Bayern Alltag“, so Thal.

Weitere Informationen zum Fürther Ausreisezentrum finden Sie unter:
http://www.ausreisezentren.de

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