08.03.2013

Asylbewerberleistungsgesetz: Paukenschlag durch das Landessozialgericht

Kürzung oder Streichung des Taschengeldes für Flüchtlinge derzeit nicht zulässig / Sozialministerin Haderthauer muss Sozialämter entsprechend anweisen


Mit einem Paukenschlag hat das bayerische Landessozialgericht (LSG) die Praxis der bayerischen Sozialämter beendet, Flüchtlingen das soziokulturelle Existenzminimum, das so genannte Taschengeld, zu kürzen oder ganz zu streichen. Das soziokulturelle Existenzminimum ist Teil des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 18.07.2012 uneingeschränkt auch Flüchtlingen zugesprochen hat. Da dieses Existenzminimum nicht migrationspolitisch relativiert werden dürfe, sei die derzeitige Sanktionspraxis der Sozialämter nicht aufrechtzuerhalten.

Wir freuen uns, dass das Landessozialgericht der langjährigen Praxis bayerischer Sozialämter ein abruptes Ende bereitet hat, Flüchtlingen über Jahre hinweg das soziokulturelle Existenzminimum zu kürzen oder ganz zu streichen“, kommentiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Das bayerische Landessozialgericht hat eindeutig festgestellt, dass die Sanktionen nach dem Urteil des BVerfG zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr aufrechterhalten werden dürfen. Sozialministerin Christine Haderthauer muss darauf reagieren und die menschenunwürdige Sanktionspraxis sofort beenden! Wir fordern von ihr eine Weisung an die bayerischen Sozialämter, alle Sanktionen rückwirkend zum 18.07.2012 von Amts wegen aufzuheben. Ansonsten müssen die betroffenen Flüchtlinge, die womöglich den Gerichtsbeschluss nicht einmal kennen, selbst mit ihren jeweiligen Sachbearbeitern diskutieren, um die ihnen vorenthaltenen Sozialleitungen zu erhalten.

Zum Hintergrund

Das BVerfG hat mit Urteil vom 18.07.2012 die bisherigen Sozialleistungen für Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Die Leistungen seien evident zu niedrig, zudem dürfen sie nicht mehr migrationspolitisch relativiert werden. In einer Übergangsregelung ließ das BVerfG zwar weiterhin die Versorgung von Flüchtlingen mit Sachleistungen wie Essenspaketen zu, legte aber eindeutig fest, dass das soziokulturelle Existenzminimum bar ausbezahlt werden müsse. Es betrug 134 Euro im Jahr 2012, und wurde zum 1.1.2013 auf 137 Euro angehoben.

Eine Bewohnerin des Regensburger Flüchtlingslagers, deren Taschengeld bereits seit November 2011 um 25 % gekürzt wurde, weil sie falsche Identitätsangaben gemacht haben soll, hat Anfang August 2012 Widerspruch beim Sozialamt Regensburg gegen ihre Sanktion eingelegt, weil sie gegen das Urteil des BVerfG verstoße. Da über den Widerspruch nicht entschieden wurde, hat sie beim Sozialgericht Regenburg im November 2012 unter Berufung auf das Urteil des BVerfG einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt. Sie forderte die umgehende Rücknahme der Sanktion und die Auszahlung des vom BVerfG festgelegten soziokulturellen Existenzminimums.

Das Sozialgericht Regensburg wies daraufhin im Dezember 2012 die Stadt Regensburg an, die Sanktion von 25 % aufzuheben und den Betrag in voller Höhe auszubezahlen. Die Stadt Regensburg legte dagegen beim LSG Beschwerde ein. Mit seinem aktuellen Beschluss wies das LSG diese Beschwerde nun zurück. Damit ist landesweit einheitlich klargestellt, dass alle Flüchtlinge die vollen Leistungen erhalten müssen.

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