17.10.2019

Anlasslose Polizeirazzia in Nürnberger ANKER-Zentrum

Bayerischer Flüchtlingsrat und Freie Flüchtlingsstadt Nürnberg kritisieren unverhältnismäßigen Polizeieinsatz

Am heutigen Donnerstagmorgen kam es in der ANKER-Einrichtung Beuthener Straße in Nürnberg zu einer großangelegten Polizeirazzia. Laut Augenzeug*innen aus dem Lager, traf die Polizei gegen sieben Uhr morgens mit über 30 Fahrzeugen und 100 Polizist*innen ein. Sofort wurden alle Stockwerke sowie jedes Zimmer durchsucht.
Ben Schwägerl von der Freien Flüchtlingsstadt Nürnberg war selbst am Vormittag vor Ort: „Die Polizeipräsenz war massiv, auch mehrere Krankenwagen und die Feuerwehr waren vor Ort. Viele Menschen in der Beuthener Straße sind schwer traumatisiert. Die Polizei scheint ohne Vorwarnung und ohne anzuklopfen in Zimmer eingedrungen zu sein. Ohne Rücksicht auf Frauen, Kinder oder psychisch erkrankte Menschen.“

Die Polizei selbst spricht von einer präventiven Maßnahme zur Gefahrenabwehr. Mit dieser Argumentation rechtfertigte die Polizei bereits zahlreiche und nicht zuletzt kostspielige Großrazzien in ANKER-Zentren. Zur Anwendung kommt hierbei die Novelle des Polizeiaufgabengesetzes aus dem Jahr 2017, indem pauschal Geflüchtetenunterkünfte zu „gefährlichen Orten“ erklärt wurden. Schwägerl vermutet noch etwas Anderes dahinter: „Durch diese Razzien soll Macht demonstriert und Druck auf Geflüchtete ausgeübt werden. Durch solche überzogenen Großeinsätze werden Geflüchtete stigmatisiert und kriminalisiert. Und es entsteht das Bild Geflüchtete seien gefährlich und überwachungsbedürftig. Mit dieser Praxis wird rechter Hetze der Weg bereitet – und die Grundlage für rassistische Ideologien gestärkt, die zu katastrophalen Ereignissen wie dem Terror von Halle führen. Wir fordern den bayerischen Staat auf, diese Zusammenhänge endlich zu erkennen und solche Einsätze zu unterlassen!“.

Freie Flüchtlingsstadt und Bayerischer Flüchtlingsrat fordern die Abschaffung der Großlager und die dezentrale Unterbringung der Geflüchteten. In der Beuthener Straße leben bis zu 600 Geflüchtete in unterschiedlichsten Ausnahmesituationen auf engstem Raum. Missverständnisse und Auseinandersetzungen sind da vorprogrammiert. Das Vorgehen der Polizei am heutigen Donnerstag ist nicht dazu geeignet, diese Spannungen abzubauen, sondern wird die ohnehin angespannte Lage nur verstärken.

Auch Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen der Polizei: „Schon wieder ein unangemessener Polizeigroßeinsatz in einem ANKER-Zentrum. Die Menschen in den Lagern finden nicht zur Ruhe. Die beste Gefahrenabwehr ist eine menschenwürdige Unterbringung. Respekt an die Bewohner*innen, dass sie heute mit Besonnenheit und ruhigem Verhalten auf dieses eskalierende und inadäquate Vorgehen reagiert haben.“

Zurück