18.08.2009

AktivistInnen des Netzwerks "Deutschland Lagerland" erhalten Menschenrechtspreis

Netzwerk Deutschland Lagerland: Alljährlich ehrt Pro Asyl Menschenrechtsorganisationen und Personen für ihren herausragenden Einsatz für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen. Dieses Jahr geht der Preis zum ersten Mal an Flüchtlinge in Deutschland, die sich öffentlich für die Interessen von Flüchtlingen und MigrantInnen einsetzen.

Nissrin Ali und Felleke Bahiru Kum, denen der Menschenrechtspreis am 5. September 2009 verliehen wird, wurden im April 2009 bundesweit bekannt, weil sie den Mut hatten, als ExpertInnen bei der Anhörung im Bayerischen Landtag zur Situation in den bayerischen Flüchtlingslagern zu sprechen. Als Delegierte des Netzwerks Deutschland Lagerland konnten sie nicht nur aus ihrer persönlichen Innenperspektive auf das Lagersystem berichten, sondern auch die Erfahrungen der vielen im Netzwerk engagierten Flüchtlinge einbringen.

Nissrin Ali (19), staatenlose Kurdin aus Syrien, floh im Alter von 12 Jahren mit ihrer Familie vor der Verfolgung in Syrien. Mit 13 Jahren kam sie nach Deutschland und lebt seitdem im Flüchtlingslager Bayreuth. Sie ging hier zur Schule und absolvierte ihren Hauptschulabschluss. Eine Ausbildung wird ihr verweigert, weil sie keine Arbeitserlaubnis hat. Seitdem ist sie zum Nichtstun verdonnert. Nachdem zum Jahresbeginn ein Rückübernahmeabkommen zwischen Syrien und Deutschland in Kraft getreten ist, droht ihr und ihrer Familie die Abschiebung in den Folterstaat Syrien. Zur Situation in den Flüchtlingslagern sagt sie: „Man lebt nicht, man stirbt langsam“. Dennoch fasste sie den Mut und appellierte in der Landtagsanhörung direkt an die Landtagsabgeordneten: „Bis jetzt habe ich schlechte Erfahrungen. Ich weiß nicht, ob ich diesem Land noch weiter helfen kann. Das liegt nur an euch. Wenn Ihr eure Meinung ändert und die Lager abschafft, dass wir auch ein gutes Leben bekommen, dann habe ich auch ein gutes Leben. Wenn eure Meinung negativ ist, zerstört Ihr das Leben von vielen Menschen, und eine davon bin ich.“

Felleke Bahiru Kum (35) erreichte Deutschland im Jahr 2000 auf der Flucht vor seinen Verfolgern in Äthiopien und kämpft seitdem um eine Aufenthaltserlaubnis. Zweimal verhinderte er aus Angst um sein Leben seine eigene Abschiebung durch passiven Widerstand gegen Bundespolizeibeamte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte ihm am 24.07.2009 ein Abschiebeverbot aufgrund drohender Folter zu und bewies damit nachträglich, dass Felleke Bahiru Kums Weigerung, an seiner eigenen Abschiebung mitzuwirken, mehr als berechtigt war. Felleke Bahiru Kum kritisierte im Rahmen der Landtagsanhörung das Ziel der rigiden bayerischen Lagerunterbringung, „die Menschen unter Druck zu setzen, dass sie freiwillig das Land verlassen. Nach meiner Kenntnis hat das bis jetzt keiner freiwillig getan, weil dieses Gesetz da ist. Viele sind aber trotzdem krank. Sie sind Alkoholiker geworden, Drogensüchtige geworden. Normale, die ohne Alkohol und Drogen leben, sind Psychiatriefälle geworden. Das ist das Ergebnis dieses Gesetzes.“

Die Verleihung des Menschenrechtspreises von Pro Asyl sehen Nissrin Ali und Felleke Bahiru Kum als wichtiges Signal, dass ihr Kampf um ein menschenwürdiges Leben für alle Flüchtlinge und MigrantInnen richtig ist. Sie fordern deshalb weiterhin: „Flüchtlingslager abschaffen – Isolation beenden – gleiche Rechte für Alle!“

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