10.09.2018
Afghanistan: Erneut Abschiebevorbereitungen gegen Kranke und Schutzbedürftige
Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert: CSU lässt versprochenes Augenmaß vermissen
Am kommenden Dienstag, den 11.09., soll aus München die nächste Abschiebung nach Afghanistan stattfinden. Der Charterflieger der britischen TITAN Airline soll um 22 Uhr starten. Die behördlichen Vorbereitungen laufen. Erfahrungsgemäß werden die meisten Afghanen wieder aus Bayern kommen.
Der Bayerische Flüchtlingsrat hat bereits Kenntnis über fünf inhaftierte Afghanen aus Bayern. Eine dieser Personen sitzt in der Abschiebungshaft in Ingelheim, Rheinland-Pfalz. Sein vermutlich einziges Vergehen ist, dass er, wie inzwischen mehrere Hundert Afghanen aus Bayern, versuchte, aus Angst in ein anderes EU-Land zu flüchten. Vier weitere Afghanen sitzen in den bayerischen Abschiebeeinrichtungen Eichstätt und Erding.
Einer dieser Afghanen, Herr A, musste aus Afghanistan flüchten, weil sein Bruder für die ISAF Truppen gedolmetscht hat, und er deshalb von den Taliban bedroht wurde. Das Bundesamt hat ihm ebenso wenig geglaubt wie das Verwaltungsgericht, obwohl der Bruder, der ebenfalls flüchten musste, längst Flüchtlingsstatus zugesprochen bekam und es nachweislich oft vorkommt, dass in solchen Fällen auch andere Familienangehörige bedroht werden.
Herr B, ein anderer Afghane aus Niederbayern ist gesundheitlich schwer beeinträchtigt, verfügt u. a. über einen künstlichen Darmausgang. Die Reisefähigkeit wurde bereits amtsärztlich überprüft, aber ob und wie Herr B in Afghanistan eine notwendige Gesundheitsversorgung erhalten kann, ist eine Frage, die nicht geklärt ist. Zudem lebte Herr B in einer festen Beziehung mit einer Deutschen, die im vierten Monat von ihm schwanger ist. Dieser Fall ähnelt dem Fall des schwerkranken Afghanen, der kurz nach einer Bauch-OP im August abgeschoben wurde. Bei ihm konnten die Wunden in Kabul bisher nicht versorgt werden, wie uns bekannt ist.
Zu den beiden weiteren Afghanen in Abschiebehaft ist bekannt, dass beide schon einmal für einen Abschiebeflug vorgesehen waren, aber damals nicht angetroffen wurden. Gegen die geplanten Abschiebungen wurde in mehreren Fällen Rechtsmittel eingelegt. Doch rechtliche Schritte werden in Bayern zunehmend erschwert. So akzeptiert man in der Abschiebungshaft Eichstätt keine Fax- oder E-Mail-Kommunikation mit Insassen, sondern nur die persönliche Vorsprache von Bevollmächtigten oder Briefverkehr. Die Ausländerbehörde der Regierung der Oberpfalz lehnte gleich gänzlich ab, einem Anwalt Akteneinsicht zu gewähren, ein aus der Sicht des Bayerischen Flüchtlingsrats klar grundgesetzwidriges Verhalten.
„Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die bayerische Forcierung der Afghanistan-Abschiebungen als wahlkampfbedingte Überreaktion der CSU Staatsregierung. UNHCR hat in einer aktuellen Stellungnahme festgestellt, dass Kabul nicht länger als sicherer Ort angesehen werden kann. Entsprechend müsste eine genaue Überprüfung stattfinden, ob in Afghanistan Abgeschobene irgendwo sicher sind, und wie sie dort hinkommen. Bayern forciert stattdessen die Abschiebung von Flüchtlingen, die gut integriert waren, und macht auch vor der Abschiebung Kranker nicht halt. Äußerungen von Markus Söder und Joachim Herrmann, man werde die Fälle genau prüfen, sind angesichts dieser Praxis nicht mehr als leere Worte“, so Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.
Für den Dienstag, 11.9., rufen Bayerischer Flüchtlingsrat, Karawane und andere Organisationen zu einer Protestdemonstration auf. Start ist um 19:30 Uhr am Odeonsplatz in München. Facebookveranstaltung >>>