21.11.2006

Äthiopier akut von Abschiebung bedroht

Felleke Bahiru Kum sitzt in der JVA Augsburg in Abschiebehaft / Abschiebung für Donnerstag, den 23.11.2006 geplant

Felleke Bahiru Kum reiste im April 2000 nach Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, seit langen Jahren lebt er mit einer Duldung in Donauwörth. Nun stellte ihm die äthiopische Botschaft unerwartet ein „Laissez-Passer“ (Ausreiseschein) aus, mit dem er nach Äthiopien abgeschoben werden soll. Die beiden ersten Abschiebeversuche am 4.10.06 und Anfang November scheiterten am Widerstand des Betroffenen. Nun ist der 3. Abschiebeversuch für 23.11.06 geplant, wahrscheinlich mit Begleitung durch Beamte der Bundespolizei. Der Bayerische Flüchtlingsrat befürchtet, dass Felleke als Exiloppositioneller Verfolgung, Haft oder Folter droht und fordert einen sofortigen Stopp der Abschiebung. Die äthiopische Regierung hat eine intensive Zusammenarbeit mit deutschen Behörden angekündigt, um unliebsame Exiloppositionelle unter ihre Kontrolle zu bringen.

„Ich bin kein Unbekannter in Äthiopien“, sagte Felleke bei einem Besuch in der Abschiebehaft über sich selbst. Vor seiner Flucht betreute er verletzte Soldaten der äthiopischen Armee. Er beschwerte sich mit KollegInnen über die mangelhafte Versorgung der Soldaten bei der äthiopischen Regierung, was zu massiven Repressionen führte. Nach seiner Flucht nach Deutschland nahm er an mehreren Versammlungen der Oromo Liberation Front (OLF) teil, eine Oppositionelle Partei, die auch in Deutschland einen Ableger hat. Aufgrund seiner guten Kontakte zur äthiopischen Community in Deutschland gelang es ihm, weitere Sympathisanten für die OLF zu gewinnen. Das erweckte den Verdacht der äthiopischen Behörden. Der äthiopischen Botschaft liegen Fotos von Felleke vor, deren Herkunft unbekannt ist, wahrscheinlich stammen sie von einem Spitzel der äthiopischen Botschaft. Zudem wurde er beim Afrika-Festival in Würzburg von einem Mann gefilmt, der sich bei einem anderen Äthiopier als Botschafts-Mitarbeiter zu erkennen gegeben hat.

Der Bayerische Flüchtlingsrat wertet diese Informationen als Hinweise dafür, dass Felleke eines der ersten Opfer der neuen Zusammenarbeit deutscher Behörden mit dem Regime in Äthiopien wird. Wichtiges Indiz dafür ist eine Anweisung des Amtes für Diaspora-Angelegenheiten beim äthiopischen Außenministerium. Der Direktive zufolge sollen im Ausland lebende Oppositionelle identifiziert und in Äthiopien wegen „ethnischen Säuberungen und Unterschlagung von Staats- und Volksbesitz“ vor Gericht gestellt werden (siehe www.fluechtlingsrat-bayern.de/aethiopien). Ein weiteres Indiz ist ein Schreiben des Äthiopischen Außenministeriums vom 28.6.2006. Darin wird die deutsche Botschaft in Addis Abeba darüber unterrichtet, dass Laissez-Passers für neun von 26 äthiopischen Staatsangehörigen ausgestellt werden. Für diese Gruppe hatten die deutschen Behörden Abschiebepapiere gefordert. Felleke ist eine der neun Personen, die in der angehängten Liste aufgeführt sind. Auf dem Hintergrund dieser Informationen scheint Felleke einer der ersten Exiloppositionellen zu sein, die nach der äthiopischen Direktive zurückgeholt werden sollen, um in Äthiopien vor Gericht gestellt zu werden.

„Wir fordern deshalb das Landratsamt Donau-Ries mit Sitz in Donauwörth auf, die Abschiebung sofort auszusetzen. Denn Fellekes Anwalt, Reinhold Waber, hat heute bereits einen Asylfolgeantrag gestellt. Es wird Felleke nichts nützen, wenn ihm Asyl gewährt wird, er aber schon nach Äthiopien abgeschoben wurde. Sollte die Ausländerbehörde weiter auf der Abschiebung bestehen, fürchten wir Verfolgung, Haft und Folter für Felleke“, appelliert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats an das Landratsamt Donau-Ries.

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