20.09.2016

Abschiebung vor Ausbildung

Bayerns Regierung verunsichert Arbeitgeber*innen und konterkariert Integration

Eine gelingende Integration sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt beginnen. Langes Warten und Untätigkeit kostet Lebenszeit und Sozialleistungen. Es demotiviert Flüchtlinge und vernichtet Qualifikationen. Das bayerische Innenministerium stellt sich dennoch auf den Standpunkt, Flüchtlinge erst nach der Anerkennung in den Arbeitsmarkt zu integrieren oder zur Ausbildung zuzulassen.

Wird das von der Arbeitgeber*innen Seite nicht beherzigt, sind diese selbst schuld. Zum Beispiel im Falle eines jungen Albaners, der erfolgreich sein erstes Lehrjahr als Koch in einem Hotel-Restaurant im Spessart beendet hat. Die Ausbildung wurde staatlich durch das AsA-Programm (Assistierte Ausbildung) gefördert. Der Albaner war gut integriert, wollte die Ausbildung fortsetzen, sein Arbeitgeber setzte sich sehr für ihn ein, schaltete auch die Handwerkskammer ein. Zwecklos: die Ausländerbehörde erteilte keine weitere Duldung zur Ausbildung. Der 23-jährige Dritan C. wurde am 6. September 2016 abgeschoben.

 

Der Arbeitgeber und Ausbilder versteht das nicht. Denn zugleich wird in Albanien um Azubis und Fachkräfte für Mängelberufe in Deutschland geworben. Koch zählt hier dazu. Der Hotelier sieht durch die Abschiebung sein Engagement verhöhnt und seine Interessen als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb stark geschädigt. Gegenüber der Handwerkskammer hat er jetzt schriftlich mitgeteilt, er werde aufgrund dieser Erfahrung künftig keine Flüchtlinge, auch keine mit Anerkennung, mehr zur Ausbildung oder Anstellung akzeptieren. Der Hotelier ist kein Einzelfall. Zunehmend sind Arbeitgeber*innen und Ausbildungsbetriebe zurückhaltend, wenn es um die Einstellung von Flüchtlingen geht, die noch im Asylverfahren sind. Weil die Verfahren aber immer noch oft viele Monate dauern, verstreicht wertvolle Zeit für eine gelingende Integration. Das bayerische Innenministerium hat seine harte Haltung erst Anfang des Monats durch ein Rundschreiben bekräftigt.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die bayerische Praxis, Flüchtlingspolitik ausschließlich an Abschiebung und Abschreckung auszurichten. Während der Bund mit der gesetzlichen Verankerung einer Duldung zu Ausbildungszwecken, die Flüchtlingen in Ausbildung und Betrieben Sicherheit geben soll, auf frühzeitige Integration setzt, orientiert sich Bayern an der Desintegration.

 „Flüchtlingspolitik und Integration dem Innenministerium zu überlassen ist ein Holzweg. Das Innenministerium kann Repression, aber keine Integration. Bestehende Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse sind dem bayerischen Innenministerium kein Grund, nicht abzuschieben. Das verunsichert Arbeitgeber*innen und Ausbildungsbetriebe und konterkariert Integration“, so Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

„Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert, die Interessen von Flüchtlingen und Betrieben stärker zu gewichten. Eine mögliche Ablehnung oder Abschiebung aus asylpolitischen Gründen darf nicht die einzige Ratio sein, nach der entschieden wird. Die bayerische Politik verspielt hier den Vertrauensschutz, den Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse genießen sollten, und schädigt sowohl die Integration von Flüchtlingen als auch die bayerische Wirtschaft.“

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