06.12.2005

„Abschiebung trotz Abschiebeschutz“

Anwalt legt Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein

Am heutigen Dienstag, den 6.12.2005 wurde in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung über das Asylbegehren (1), die Frage des Abschiebeschutzes(2) und über die Zulässigkeit der Einreiseverweigerung (3) von Herrn Zangana entschieden:
(1) Sein Antrag auf Asyl wurde trotz offensichtlicher Verfolgung als unbegründet abgelehnt.
(2) Unter normalen Bedingungen wäre Herr Zangana dennoch nicht von einer Abschiebung bedroht, da derzeit ein genereller Abschiebestopp für den Irak gilt. Dazu müsste er allerdings als in die BRD eingereist gelten, woran ihn die bayerischen Behörden seit über acht Monaten hindern, obwohl sie ihn quer durch die Republik transportierten, u.a. zur irakischen Botschaft nach Berlin.
(3) Die Frage der Zulässigkeit der über acht Monate dauernden Einreiseverweigerung wird weiter geprüft. Dies hat jedoch keine aufschiebende Wirkung auf die „Zurückweisung“, die die Bundespolizei derzeit vorbereitet.

Der Bayerische Flüchtlingsrat ist empört über dieses Vorgehen. Gerade weil es aufgrund des Kriegs im Irak einen generellen Abschiebestopp gibt, hielten die bayerischen Behörden Herrn Zangana im Transitbereich des Münchner Flughafens fest. Dadurch ist eine Abschiebung aus formalen Gründen keine Abschiebung, sondern eine „Zurückweisung“, bei deren Durchführung der generelle Abschiebestopp nicht zur Anwendung kommt. „Das ist eine wissentliche Aushebelung des Flüchtlingsschutzes“, kommentiert Matthias Weinzierl, Geschäftsführer des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Mittels der Fiktion des Nicht-Eingereistseins wird zum ersten mal seit annähernd 15 Jahren ein irakischer Staatsbürger gegen seinen Willen in sein Herkunftsland abgeschoben.“ In ein Land, zu dem der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.06.2005 festhält: „Durch Tausende terroristische Anschläge und fortgesetzte offene Kampfhandlungen zwischen militaner Opposition und regulären Sicherheitskräften ist die Lage seit Beendigung der Hauptkampfhandlungen Anfang Mai 2003 äußerst unsicher geblieben. Deshalb wird Rechtsanwalt Michael Sack Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.

Nachdenklich machen sollte auch das plötzliche Auftauchen von Ausreisedokumenten. Die irakische Botschaft weigerte sich bisher, auch nach persönlicher Vorführung von Herrn Zangana durch die Bundespolizei, solche Dokumente auszustellen. Dadurch war eine Abschiebung/Zurückweisung nicht möglich. Völlig überraschend legte die Bundespolizei bei der heutigen Verhandlung eine einmalige Einreisegenehmigung (laissez-passer) der irakischen Botschaft vor, ausgestellt am 1.12.2005. Warum die irakische Botschaft erst jetzt bereit war, diese Genehmigung zu erteilen, ist nicht geklärt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass hier rege Kontakte zwischen deutschen und irakischen Behörden stattgefunden haben, um diese Verweigerungshaltung aufzubrechen.

Zynisch ist, dass sich die zügige Durchführung der Zurückweisung am heutigen Abend nur noch durch die diplomatischen Bemühungen zur Befreiung der deutschen Geisel im Irak, Susanne Osthoff verzögern kann.

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