24.06.2019

Abschiebewahn: Minderjährige überfallen, eingesperrt, abgeschoben und sich selbst überlassen

Flüchtlingsrat wirft Behörden vor, die besonderen Rechte der Jugendlichen bei Abschiebemaßnahmen massiv verletzt zu haben

Am 19.6.2019 wurden zwei minderjährige Geschwister in Begleitung ihrer Vormündin und einem weiteren
Mitarbeiter des Jugendamtes unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Albanien abgeschoben.
"Wir sind hier versteckt und müssen weg, weil wir nicht sicher sind. Ich habe große Angst", sagt die 13-
jährige Schülerin zwei Tage nach der Abschiebung. Sie berichtet, wie sie und ihr Bruder am vergangenen
Mittwoch gegen 9 Uhr morgens im Stadtpark in Osterhofen unverhältnismäßig gewaltsam festgenommen
wurden. Acht Polizeifahrzeuge und ca. 20 Beamte waren bei dem Einsatz dabei. Der 15-jährige
Berufsschüler wurde ohne Vorwarnung brutal gegen einen Autospiegel gestoßen, auf dem Boden fixiert
und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Seine Schwester musste ohne Unterstützung eines
Erwachsenen selbst erstreiten, nicht in Handschellen abgeführt zu werden. Obwohl die Staatsbediensteten
des Jugendamtes, die für das Kindeswohl verantwortlich sind, bei der Festnahme und Abschiebung
anwesend waren, haben sie weder im Vorfeld noch im gesamten Verlauf deren Rechte geschützt.

Nach der Festnahme wurden die Kinder getrennt und direkt zum Münchner Flughafen gefahren. Es wurde
ihnen nicht ermöglicht, persönliche Dinge, Kleidung oder Geld mitzunehmen. Bis zum Abflug wurden sie
isoliert in Einzelzellen des Münchner Flughafens eingesperrt - ohne Ansprechpartner*innen, ohne
Nahrungsmittel, ohne Handys. In Tirana/Albanien angekommen, haben sich die Jugendamtsmitarbeitenden
an der geöffneten Flugzeugtür verabschiedet. Als unbegleitete minderjährigen Flüchtlinge ohne Gepäck,
sind die Jugendlichen weder einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung in Albanien, noch den
sorgeberechtigten Eltern übergeben worden. Das Wohl der Kinder, entsprechende Unterbringung und
Versorgung sind nicht garantiert.

Bereits 2017 wurden die beiden gemeinsam mit ihrer psychisch kranken Mutter und psychisch kranken
Schwester unter enormer Gewaltanwendung von Deutschland nach Albanien abgeschoben (der
Flüchtlingsrat berichtete). Das Verfolgungsschicksal der Familie, in diesem Fall Blutrache, aus dem als sicher
deklarierten Westbalkanstaat wurde nicht anerkannt. Auch die schwerwiegenden psychischen
Erkrankungen der Mutter und der damals 2- jährigen Tochter führten nicht zu einem Abschiebehindernis.
2018 flohen die Kinder aus Angst vor der Blutrache erneut nach Deutschland; diesmal allein und ohne
Kontakt zu den Eltern. Das kriminelle Vorgehen der Behörden bei der damaligen Abschiebung wurde
angezeigt, jedoch von bayrischen Gerichten nicht behandelt. Um Freiheitsberaubung und Körperverletzung
zu ahnden, musste nun Verfassungsbeschwerde eingereicht werden.

 

Eine Broschüre zum Thema Abschiebung und junge Geflüchtete – Rechtlicher Rahmen und Handlungsoptionen der Kinder- und Jugendhilfe vom Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Geflüchtete und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer gibt es hier zum Download >>>

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