17.06.2016

Abschiebestaat Bayern: die Kehrseite von Innenminister Herrmanns „positiver Zwischenbilanz“

Behörden säen Angst, Verzweiflung, Ohnmacht bei Flüchtlingen


Gestern gegen 13 Uhr ging erneut ein Charterflug in Richtung Kosovo und Albanien. Innenminister Joachim Herrmann nahm das zum Anlass, eine Erfolgsmeldung an die Presse zu lancieren. „Positive Zwischenbilanz“, der bayerische Kurs solle „konsequent“ fortgesetzt werden. Ein Erfolg?

Auf dem Flug gestern: eine junge Frau, die, weil sie lesbisch ist, von ihrem muslimischen Vater mit 17 Jahren an einen älteren Mann zwangsverheiratet wurde. Nach Angaben der Lesbenberatungsstelle LeTra e.V. in München floh sie zunächst in die kosovarische Hauptstadt Prishtina, wurde dort aber von ihrer Familie aufgespürt und mit Ehrenmord bedroht. Sie floh nach Deutschland, und war zuletzt in einem Frauenhaus in der Nähe von München untergebracht. Ohne dass sie zu den Verfolgungsgründen angehört worden war, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihren Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ ab. Als lesbische Frau ist sie aufgrund ihrer Homosexualität im Kosovo nicht sicher, sie kann von ihrem Ex-Mann oder ihrem Vater weiter mit Mord bedroht werden, sie ist ohne jede Unterstützung.

Auf dem Flug hätten sein sollen zwei junge, inzwischen volljährige Roma aus dem Kosovo, wie uns ihr Anwalt Joachim Schürkens aus Schweinfurt mitteilte. Weil der Vater während des Kriegs für die Serben als Polizist gearbeitet hatte, können sie nicht in den Kosovo zurück. Stattdessen sprachen sie zwei Mal bei der Zentralen Ausländerbehörde in Bamberg vor und wollten freiwillig nach Serbien ausreisen. Dies war bisher nicht möglich, da ihre Pässe noch bei den Behörden in der Schweiz liegen. Die Zentrale Ausländerbehörde beschied den beiden, man würde sich melden wegen der freiwilligen Ausreise. Heute Morgen stand die Polizei vor der Türe, um sie zur Abschiebung abzuholen. Nur weil sie nicht im Haus waren, konnten sie der Abschiebung entgehen. Würden sie abgeschoben, dürften sie über Jahre nicht mehr nach Deutschland zu ihrer Familie. Da aber für eine freiwillige Ausreise der Pass nötig ist, ging die Ausländerbehörde den einfachen Weg: Abschiebung. Das Recht auf freiwillige Ausreise und die Konsequenzen der Abschiebung für die jungen Männer sind für sie dabei irrelevant.

Diese beiden uns bekannt gewordenen Fälle dokumentieren, dass die bayerischen Behörden nur daran interessiert sind, möglichst viele Menschen aus Bayern wegzuschaffen. Innenminister Herrmann deckt und begrüßt ein Vorgehen, das gnadenlos und ohne jegliches Augenmaß gegen Flüchtlinge vorgeht“, kritisiert Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Hier sehen wir die Effekte der Deklaration sogenannter „sicherer Herkunftsstaaten“: die Schicksale hinter den Fällen werden unwichtig, die Anhörungen gibt es nur pro forma, das Urteil steht schon fest. Und der bayerische Innenminister wartet nur auf den Ablehnungsbescheid, um Betroffene von der Polizei zusammentreiben zu lassen“.

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