20.08.2016

Abschieben um jeden Preis?

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert die rücksichtslose Abschiebung auch von Kranken und Behinderten

Die Innenminister der unionsregierten Bundesländer haben sich gerade auf eine konsequente Abschiebepolitik geeinigt. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die schon jetzt rigorose Abschiebepolitik, die vor allem bei besonders verletzlichen Personen zu enormem Leid führt.

Ende Juli wurde eine Frau in den Kosovo abgeschoben, der eine Amtsärztin Suizidgefahr attestiert hatte. Eine Abschiebung hielt die Ärztin für nicht verantwortbar. Das beeindruckte die Ausländerbehörde nicht, die Frau wurde abgeschoben. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung behauptete die Ausländerbehörde dann wahrheitswidrig, dass in Pristina ein Arzt bereitgestanden habe für eine Sicherstellung der Anschlussbehandlung. Heute wurden unter anderen drei Familien mit kranken Familienmitgliedern aus Manching zur Abschiebung abgeholt. In allen drei Fällen ist eine weitere medizinische und therapeutische Behandlung laut der behandelnden Ärzte und Kliniken notwendig. In einem Fall wurde auch Reiseunfähigkeit attestiert.

Seit den Asylrechtsverschärfungen werden enorme Hürden an ärztliche Gutachten gestellt, die Ärzt*innen häufig in der vorgegebenen kurzen Frist nicht erstellen können. Gerade die Menschen, die auf solche Atteste angewiesen sind, haben häufig keine finanziellen Mittel um Gutachter und Rechtsanwälte zu zahlen. Vor allem bei Asylschnellverfahren für Personen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ wird der Zugang zu rechtlicher Beratung und sozialer Betreuung in den besonderen Aufnahmeeinrichtungen systematisch verwehrt. Wenn dennoch Atteste vorliegen, werden sie nicht ernst genommen bzw. durch behördliche Gutachten im Auftrag der Ausländerbehörden widerlegt. Einsicht in die amtsärztlichen Gutachten gibt es jedoch weder für Betroffene noch für deren Anwälte. Nur die Behörde selbst erfährt, zu welcher Einschätzung die Amtsärzte gelangen.

„Das bayerische Innenministerium und die nachgeordneten Zentralen Ausländerbehörden nehmen bewusst das Leid und gesundheitliche Einbußen von Abgeschobenen in Kauf. Für eine medizinische Anschlussbetreuung wird nicht gesorgt. Ob Abgeschobene ein Dach über dem Kopf haben oder eine medizinische Betreuung für sie überhaupt erreichbar ist, kümmert die bayerischen Behörden nicht. Wir erleben gerade eine enorm anwachsende Rücksichtslosigkeit“, kritisiert Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

„Wer konsequente Abschiebungen fordert, der lädt die Behörden dazu ein, medizinische Gutachten zu missachten oder nicht abzuwarten, bis sie vorliegen. Ethische und rechtliche Bedenken werden so weggeschoben. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert eine Rückkehr zum Augenmaß. Innenminister Herrmann sollte seine Behörden nicht zur Gewissenlosigkeit auffordern“, so Dünnwald weiter.

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