20.03.2019

Abschiebekrimi: Was von gestern bleibt

Unverhältnismäßiger Polizeieinsatz in Nürnberg | Jan Ali H. wurde kurzfristig vom Flug genommen | 21 Personen nach Afghanistan abgeschoben

Gestern, Dienstag den 19. März 2019, fand die mittlerweile 22. Sammelabschiebung nach Afghanistan statt. Bundesweit wurden 21 Personen abgeschoben. 10 Personen kamen vermutlich aus Bayern. Der für den Flug vorgesehene Nürnberger Realschüler Jan Ali H. wurde vom Bayerischen Innenministerium kurz vor Abflug der Maschine vom Flieger genommen. Aktuell befindet er sich noch im Krankhaus auf der psychiatrischen Station.

Der junge Afghane wurde am gestrigen Vormittag von einem massiven Großaufgebot von Polizei und Sondereinsatzkommando in Nürnberg festgenommen. Nachdem sich der dokumentiert depressive und suizidgefährdete junge Mann selbst verletzt hatte, wurde er in einer Nürnberger Klinik medizinisch versorgt und nach Leipzig gefahren. Eine Überprüfung des psychischen Zustands des jungen Mannes in einer Psychiatrie wurde unterlassen. „Die gestrigen Vorkommnisse in Nürnberg sind erschütternd. Schon wieder wurde in Nürnberg versucht, einen jungen Mann mit einem martialischen Polizeiaufgebot aus seinem Lebensumfeld zu reißen. Sein Gesundheitszustand muss den Behörden im Vorfeld bekannt gewesen sein. Die Abschiebung eines psychisch angeschlagenen Mannes mit solch einem massiven Einsatz durchzusetzen, ist absolut unverhältnismäßig und unverantwortlich,“ berichtet Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Weiter stellt sich für uns die Frage, weshalb die Nürnberger Klinik es unterlassen hat, H.‘s psychischen Zustand zu untersuchen.“

Die Bundespolizei am Flughafen Leipzig/Halle war vom Bayerischen Flüchtlingsrat über die Erkrankung des jungen Mannes informiert worden. Ebenso zahlreiche Politiker*innen, darunter Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und der grüne Abgeordnete Uwe Kekeritz, die beim Bayerischen Innenministerium intervenierten. Auch zahlreiche Einzelpersonen sowie seine Schule hatten sich dafür eingesetzt, die Abschiebung zu stoppen. Abends versammelten sich in Nürnberg rund 700 Menschen, um gegen die Abschiebung von Jan Ali H. und anderer Afghanen zu protestieren. Die Appelle zeigten scheinbar Wirkung.


„Wir freuen uns jetzt mit dem jungen Mann und seiner Familie und hoffen, dass der Junge so schnell wie möglich nach Hause kommen kann. Jedoch wurden viele andere gestern nach Afghanistan abgeschoben. So auch Sami K. und Vasim B., über die wir bereits am 19.03.2019 berichteten. Beide hatten Ausbildungs- bzw. Arbeitsangebote und standen kurz davor, ihre deutschen Lebensgefährtinnen zu heiraten. Sie könnten längst in Arbeit oder Ausbildung sein, wenn die Ausländerbehörden nicht die Genehmigung verweigert hätten. Stattdessen werden sie nach Kabul in Krieg und Elend geschickt. Eine solche Politik ist ebenso wenig menschlich wie nachvollziehbar", so Johanna Böhm.“

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