Süddeutsche Zeitung, 28.03.2008

Rat für Asylbewerber ist keine Straftat

2700 Euro Strafe hätte Hans-Georg E. eigentlich zahlen müssen, 90 Tagessätze á 30 Euro. So stand es im Strafbefehl, so wollten es Staatsanwaltschaft und Amtsgericht. Am Ende aber kam es anders. E., 32, justizbekannter Links-Aktivist und engagiert in der Flüchtlingsorganisation Karawane, soll irakische Asylbewerber zu einer Straftat aufgefordert haben. Im April vergangenen Jahres waren Iraker aus ganz Bayern zu einer „Sammelvorführung“ in eine Münchner Flüchtlingsunterkunft bestellt worden. Dort hatten sich Mitarbeiter der irakischen Botschaft einquartiert, so dass die Büros zu exterritorialem Gebiet wurden. Man wollte die Staatsangehörigkeit der Flüchtlinge klären und ihnen Rückreisepapiere ausstellen. Die Karawane sieht darin aber den Zweck der Abschiebung, weshalb man die Flüchtlinge warnte, an ihrer eigenen Rückführung in ein kriegszerrüttetes Land selbst mitzuwirken.

Also verteilten E. und seine Mitstreiter im Rahmen einer angemeldeten Versammlung Flugblätter vor der temporären Botschaft: „Achtung, irakische Brüder und Schwestern“, stand da auf Kurdisch und Arabisch. Es folgte der Rat, nicht zur Anhörung zu gehen, und wenn doch, dann nur mit Anwalt. Darin sahen Staatsanwalt Martin Hofmann und Richter Thomas Müller zunächst eine Straftat. E. aber legte Einspruch ein. Vor Gericht sagte der sonst so gesprächige Aktivist dann aber gar nichts mehr. Nur sein Verteidiger Marco Noli jonglierte mit Paragrafen und verwies auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle, wonach das Nicht-Erscheinen bei einer ausländischen Botschaft gar nicht strafbar sei, folglich könne auch die Aufforderung dazu nicht strafbar sein. Außerdem hätten die Aktivisten ja nicht grundsätzlich zur Verweigerung aufgefordert, sondern sinngemäß geraten: Sag' nichts ohne deinen Anwalt. Und das sei ja wohl erlaubt.

Es traten drei Polizisten als Zeugen auf, die bei jener Versammlung von einem halben Dutzend Linker die Flugblätter beschlagnahmt und Videos gedreht hatten. Von ihren Aussagen bleibt hängen, dass der Angeklagte „konspirativ“ mit seinen Flugblättern umgegangen sei - zu wenig für eine Verurteilung. Am Ende forderte nicht nur der Verteidiger einen Freispruch, sondern auch der Ankläger. Der tat es zwar „mit Bauchschmerzen“, aber die Argumentation der Verteidigung sei „nicht ganz an den Haaren herbeigezogen“, man könne die Aktion tatsächlich so interpretieren, dass die Aktivisten den Flüchtlingen nur zu einem Anwalt geraten hätten. Also sprach das Gericht E. frei, der Staat trägt die Verfahrenskosten.

Bernd Kastner

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